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Demian

Demian

Titel: Demian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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schwer und peinigend wurde, wo die dunkle Welt viel näher stand. Die Schwestern waren, gleich den Eltern, zu schonen und zu achten, und wenn man mit ihnen Streit gehabt hatte, war man nachher vor dem eigenen Gewissen immer der Schlechte, der Anstifter, der, der um Verzeihung bitten mußte. Denn in den Schwestern beleidigte man die Eltern, das Gute und Gebietende. Es gab Geheimnisse, die ich mit den verworfensten Gassenbuben weit eher teilen konnte als mit meinen Schwestern. An guten Tagen, wenn es licht war und das Gewissen in Ordnung, da war es oft köstlich, mit den Schwestern zu spielen, gut und artig mit ihnen zu sein und sich selbst in einem braven, edlen Schein zu sehen. So mußte es sein, wenn man ein Engel war! Das war das Höchste, was wir wußten, und wir dachten es uns süß und wunderbar, Engel zu sein, umgeben von einem lichten Klang und Duft wie Weihnacht und Glück. O wie selten gelangen solche Stunden und Tage! Oft war ich beim Spiel, bei guten, harmlosen, erlaubten Spielen, von einer Leidenschaft und Heftigkeit, die den Schwestern zu viel wurde, die zu Streit und Unglück führte, und wenn dann der Zorn über mich kam, war ich schrecklich und tat und sagte Dinge, deren Verworfenheit ich, noch während ich sie tat und sagte, tief und brennend empfand. Dann kamen arge, finstere Stunden der Reue und Zerknirschung,
    und dann der wehe Augenblick, wo ich um Verzeihung bat, und dann wieder ein Strahl der Helle, ein stilles, dankbares Glück ohne Zwiespalt, für Stunden oder Augenblicke.
    Ich ging in die Lateinschule, der Sohn des Bürgermeisters und des Ober-
    försters waren in meiner Klasse und kamen zuweilen zu mir, wilde Buben
    und dennoch Angehörige der guten, erlaubten Welt. Trotzdem hatte ich na-he Beziehungen zu Nachbarsknaben, Schülern der Volksschule, die wir sonst verachteten. Mit einem von ihnen muß ich meine Erzählung beginnen.
    An einem freien Nachmittag – ich war wenig mehr als zehn Jahre alt –
    trieb ich mich mit zwei Knaben aus der Nachbarschaft herum. Da kam ein
    größerer dazu, ein kräftiger und roher Junge von etwa dreizehn Jahren, ein Volksschüler, der Sohn eines Schneiders. Sein Vater war ein Trinker, und die ganze Familie stand in schlechtem Ruf. Franz Kromer war mir wohlbekannt, ich hatte Furcht vor ihm, und es gefiel mir nicht, als er jetzt zu uns stieß. Er hatte schon männliche Manieren und ahmte den Gang und die Redensarten
    der jungen Fabrikburschen nach. Unter seiner Anführung stiegen wir neben der Brücke ans Ufer hinab und verbargen uns vor der Welt unterm ersten
    Brückenbogen. Das schmale Ufer zwischen der gewölbten Brückenwand und
    dem träg fließenden Wasser bestand aus lauter Abfällen, aus Scherben und Gerümpel, wirren Bündeln von verrostetem Eisendraht und anderem Kehricht.
    Man fand dort zuweilen brauchbare Sachen; wir mußten unter Franz Kromers Führung die Strecke absuchen und ihm zeigen, was wir fanden. Dann steckte 6
    er es entweder zu sich oder warf es ins Wasser hinaus. Er hieß uns darauf achten, ob Sachen aus Blei, Messing oder Zinn darunter wären, die steckte er alle zu sich, auch einen alten Kamm aus Horn. Ich fühlte mich in seiner Gesellschaft sehr beklommen, nicht weil ich wußte, daß mein Vater mir diesen Umgang verbieten würde, wenn er davon wüßte, sondern aus Angst vor Franz selber. Ich war froh, daß er mich nahm und behandelte wie die andern. Er befahl, und wir gehorchten, es war, als sei das ein alter Brauch, obwohl ich das erstemal mit ihm zusammen war.
    Schließlich setzten wir uns an den Boden, Franz spuckte ins Wasser und
    sah aus wie ein Mann; er spuckte durch eine Zahnlücke und traf, wohin er wollte. Es begann ein Gespräch, und die Knaben kamen ins Rühmen und
    Großtun mit allerlei Schülerheldentaten und bösen Streichen. Ich schwieg und fürchtete doch, gerade durch mein Schweigen aufzufallen und den Zorn des Kromer auf mich zu lenken. Meine beiden Kameraden waren von Anfang an
    von mir abgerückt und hatten sich zu ihm bekannt, ich war ein Fremdling unter ihnen und fühlte, daß meine Kleidung und Art für sie herausfordernd sei.
    Als Lateinschüler und Herrensöhnchen konnte Franz mich unmöglich lieben, und die beiden anderen, das fühlte ich wohl, würden mich, sobald es darauf ankäme, verleugnen und im Stich lassen.
    Endlich begann ich aus lauter Angst auch zu erzählen. Ich erfand eine große Räubergeschichte, zu deren Helden ich mich machte. In einem Garten bei der Eckmühle, erzählte ich, hätte ich mit

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