Demonica: Versuchung der Nacht (German Edition)
in den besseren Etablissements kam es gelegentlich zu einer Überdosis oder dem einen oder anderen Unfall. In den schlimmsten Unternehmen wurden die Menschen als Wegwerfartikel betrachtet und überlebten selten mehr als einen Tag oder auch nur einen Kunden.
»Was hast du getan?«, fragte sie heiser.
»Ich habe versucht, einen Weg zu finden, sie aus ihrem Vertrag als Assassine herauszubekommen. Aber als das nicht klappte, bin ich zu ihm gegangen und habe ihm angeboten, selbst als Assassine für ihn zu arbeiten, im Austausch für ihr Leben. Und jetzt steht ihr Leben erneut auf dem Spiel.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Sie ist der Grund, warum ich Kynan töten muss.« Seine Stimme wurde so tief und unheilverkündend, dass sie vibrierte. »Wenn ich es tue, sind wir beide frei. Wenn nicht, stirbt sie.«
Idess’ Hände schlossen sich so fest um ihre Waffe, dass die Haut über den Knöcheln weiß wurde. Irgendwie gelang es ihr, trotz des Klumpens in ihrem Hals und der wachsenden Panik zu sprechen. »Lore? Wenn dich dein Herr nicht mit Sins Leben erpressen würde, würdest du Kynan dann immer noch töten wollen?«
»Ihn töten wollen? Ja klar.« Er lachte bitter. »Aber würde ich es auch tun? Nein.«
»Warum nicht?«
Er blickte in die Ferne, zu einem Ort, an den sie ihm nicht folgen konnte. »Meine Brüder mögen ja Arschlöcher sein, aber ich glaube, sie wären gut für Sin. Und ich hatte irgendwie gehofft … Ich meine, sie sind gegen meine Berührung immun … aber das spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Wenn ich Kynan töte, bringt das alle gegeneinander auf. Das ist ja jetzt schon so.« Damit machte er sich wieder auf den Weg.
Jetzt gesellte sich zu dem Panikkloß, der Idess’ Kehle verstopfte, auch noch eine Welle von Emotionen. Lore hatte sich eine Beziehung zu seinen Brüdern gewünscht, und er hätte möglicherweise sogar eine Chance gehabt, wenn er nicht diesen Auftrag erhalten hätte … Stolpernd kam sie zum Stehen.
Lore wandte sich um. »Was ist denn jetzt schon wieder? Ich habe dir schon mehr erzählt, als gut war.«
»Das ist es nicht«, sagte sie. »Hör mal … ich dachte die ganze Zeit über, dass es bei den Mordanschlägen auf meine Primori um mich ginge. Aber was ist, wenn es sich gar nicht um mich handelt? Wenn es dabei um dich geht?«
»Äh … und warum sollte es um mich gehen?«
»Na ja, um dich oder um deine Brüder. Ich meine, wie groß ist denn die Chance, dass ausgerechnet du ausgewählt wirst, um Kynan zu töten? Findest du nicht, dass es ein ziemlicher Zufall ist, dass er mit deinem Bruder verschwägert ist? Und denk mal drüber nach, was dieser Auftrag aus dir und aus ihnen gemacht hat. Er macht alles kaputt. Was wäre, wenn es dabei im Grunde nur darum ginge, euch eins auszuwischen?«
Lore pfiff durch die Zähne. »Das wäre nicht das erste Mal. Ursprünglich hat mich unser eigener Bruder angeheuert, um sie umzulegen. Aber warum haben sie Sin auf einen deiner anderen Primori angesetzt? Der Warg hatte doch weder mit mir noch mit meinen Brüdern was zu tun.«
»Das ist der einzige Schwachpunkt in meiner Theorie.« Sie schüttelte den Kopf. »Warte mal, hast du gerade gesagt, du wurdest angeheuert, um deine Brüder zu töten? Von deinem Bruder?«
»Jepp.« Er fuhr sich mit der behandschuhten Hand übers Gesicht. »Dieser kranke Mistkerl wollte sich unbedingt an ihnen rächen, also hat er für den Fall seines eigenen Todes den Auftrag gegeben, sie zu töten.«
Idess überlegte. »Dann ist er tot? Er kann also nicht hinter diesem ganzen Schlamassel stecken?«
»Shade behauptet, der Kerl wäre so gut wie tot.« Sie gingen weiter.
Laut stieß sie die Luft aus. »Okay, dann muss es also eine andere Lösung geben. Es wäre doch ein arger Zufall, dass ausgerechnet du an einer Sache beteiligt bist, die zwischen deinen Brüdern Zwietracht sät.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich bin sicher, wir werden es schon bald herausfinden. Der Ort der Beschwörung ist gleich da vorne.«
»Warte.« Zwischen ihren Schulterblättern war mit einem Mal ein unerträglicher Juckreiz ausgebrochen. Sie war sich nicht sicher, ob sie froh sein sollte, dass ihr Sensor für das Böse doch noch funktionierte. »Hier stimmt etwas nicht.«
Blitzschnell lagen Klingen in Lores Händen. »Der Boden ist ruhig.«
»Engelfleisch ist süüüß.«
Als Idess herumwirbelte, bekam sie eben noch mit, dass sich zwei Dämonen einer unbekannten Spezies von den Felsvorsprüngen lösten. Sie waren dunkelgrau und
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