Demonica: Versuchung der Nacht (German Edition)
verbeugte sich, sodass die Knochenperlen in ihren Haaren klimperten. »Ich werde Eure Botschaft überbringen.« Damit verschwand sie im Tor, oder besser gesagt, sie quetschte sich erneut hindurch. Idess nahm wieder ihre bevorzugte Gestalt an. Als sie sich umwandte, entdeckte sie Lore, der sie immer noch fassungslos anstarrte. Upps.
»Äh … willst du mir vielleicht irgendetwas sagen?«
»Nicht wirklich«, murmelte sie. Sie erlaubte sich einen Spaß und zischte diese gruseligen Viecher an, die um den Bogen herumwimmelten, sodass sie voller Panik davonwieselten.
»Idess? Wer ist Azagoth?«
O Hölle. »Du hast noch nie von ihm gehört?«
»Den Namen hab ich schon mal gehört, aber ich dachte, er ist irgend so ein lokaler Kriegsherr in Sheoul.«
Sie schnaubte. »Wohl kaum. Er war einst ein Engel. Damals, ehe so etwas wie der Tod überhaupt existierte.« Sie zischte die Gruselviecher noch einmal an, als sie sich zu nahe an sie heranwagten. »Aber dann hat dieser Idiot Kain Abel getötet, und weil die Menschen sterben konnten, mussten auch die Dämonen ihre Unsterblichkeit verlieren. Einige Spezies zumindest. Danach liefen Dämonen- wie Menschenseelen einfach so durch die Gegend und richteten Chaos und Verwüstung an. Daher wurden Engel damit beauftragt, die menschlichen Seelen in den Himmel zu begleiten, aber irgendjemand musste sich um die anderen Seelen kümmern.«
»Und dann? Hat sich dieser Azagoth also freiwillig gemeldet?«
»Offensichtlich«, erwiderte sie, ohne den Blendamed-Torbogen aus den Augen zu lassen. »Dies war eine Arbeit, um die sich lieber ein Engel als ein Dämon kümmern sollte. Der Legende zufolge nahm Azagoth freiwillig den Fall auf sich. Er schuf ein Behältnis, eine Art Auffangtank für die Seelen, Sheoul-gra, und bemühte sich nach Kräften darum, sich seine Tugend zu erhalten. Aber am Ende wurde er doch korrumpiert. Vielleicht lag es daran, dass er begonnen hatte, sich von Dämonen zu nähren, oder vielleicht hatte der ständige Umgang mit Dämonenseelen und das damit verbundene Wissen, was sie in ihrem Leben alles getan hatten, seine Reinheit nach und nach verringert. Jedenfalls ist er der Herrscher der Seelen, die seine Senslinge nach Sheoul-gra begleiten.«
»Senslinge? Also die kleinen Helferlein des Sensenmannes? Diese Senslinge?«
»Genau. Azagoth ist das Wesen, das den Menschen als Gevatter Tod oder Schnitter bekannt ist.« Sie warf einen Blick auf das Portal, das wieder zu schimmern begann. »Außerdem ist er mein Vater.«
Lore gab einen erstickten Laut von sich, hatte aber keine Chance, etwas zu sagen, weil sich in diesem Augenblick ein über zwei Meter großer Neethul durch das Tor quetschte und direkt auf sie zukam.
Die Neethulum waren eine besonders schöne Rasse, sie glichen vom Erscheinungsbild her den Elfen, was sie letztendlich umso erschreckender machte. Sie waren der lebende Beweis dafür, dass das Böse nicht immer hässlich war. Dieser hier besaß smaragdgrüne Augen und langes, weißes Haar, dazu einige gezackte Narben im Gesicht: der einzige Makel in all der Perfektion.
»Wenn du gelogen hast«, sagte er freundlich, »wirst du bei lebendigem Leib gehäutet und ausgeweidet und anschließend an den Dachsparren aufgehängt, bis du tot bist.«
Lore zog beiläufig seinen Handschuh aus, sodass seine tödliche Hand zu sehen war. Sein kaltes Lächeln stand dem des Neethuls in nichts nach. Nur dass es bei Lore sexyer aussah. Sexyer, als es sein sollte, aber ihr war inzwischen klar geworden, dass Lore eine Menge Dinge war, die er nicht sein sollte.
»Folgt mir. Und wisset, dass ihr innerhalb der Gildenhalle nicht in der Lage sein werdet, Waffen heraufzubeschwören.« Der Neethul führte sie zu dem Portal; unterwegs trat er eines der glitschigen Dämonendinger.
Das Tor blitzte sie an einen Ort, der einem kleinen unterirdischen mittelalterlichen Dorf glich. Stachelige Höllenratten huschten zwischen den Füßen diverser Dämonen herum, von denen einige gegen ihren Willen dort zu sein schienen. Sie zogen tatsächlich Ketten hinter sich her, an denen schwere Kugeln befestigt waren, und neben einer Hütte an einem schwarzen, dampfenden Teich wurde ein Kobold am Schandstock ausgepeitscht.
»Siehst du?«, flüsterte Lore. »Wir sind geheilt.«
Tatsächlich, Lores Verletzungen bluteten nicht mehr, und als sie ihre Wange berührte, die von der Schuppe aufgeschlitzt worden war, war ihre Haut nicht einmal mehr schmerzempfindlich. Nicht schlecht. Aber ihr Rücken juckte wie
Weitere Kostenlose Bücher