Demudis
so hielte sie also ihrem lieben einzigen Gemahl die Treue«, vollendete die Begine ihre unterbrochene Selbstanklage.
»Sag mir, wie es dir geht, liebes Kind«, forderte Eckhart.
»Es geht mir übel. Mir sind Himmel und Erde zu eng«, seufzte Schwester Guta.
»Sag mir ein Wort darüber«, beharrte der Beichtvater.
»Es gibt da einen Mann«, hörte das Ohr Schwester Guta endlich flüstern, »dessen Minne mir mehr bedeutet als die meines Herrn Jesus Christus.« Obwohl er gedämpft gesprochen war, hörte sich der Satz wie leicht dahingeplaudert an. Er war gewachst und glänzend poliert wie die Säulen am Beichtstuhl. Sein Inhalt konnte also nicht der Grund sein, schloss Eckhart, warum sie so sehr von Angst erfüllt schien.
»Wir wollen beten«, sagte er nach einer Pause, »beten, dass es nicht deine Minne ist, die deinem Friedel zufliegt, noch die seinige, die dich umgarnt, sondern dass das ewige fließende Licht der Liebe des Herrn euch durchfluten möge.«
Eckhart wartete geduldig auf eine Antwort. Als er sie schließlich vernahm, deuchte es ihm, dass der Ton eine Spur an Schärfe enthielt:
»Dafür, dass ich unkeusch war, Vater …«, sie unterbrach sich hastig, »nein: Bruder, welche Strafe erlegst du mir auf darob?«
Dass Eckhart sich ein fast schon abschätziges Lächeln erlaubte und das Haupt langsam schüttelte, konnte Schwester Guta natürlich nicht sehen. Vielleicht jedoch erahnen? Eckhart hoffte, dass dies nicht geschehen würde, denn es war eine Geste, die seinem eigenen sündigen Hochmut geschuldet war, den er all die Jahre nicht zu unterdrücken vermocht hatte.
»Weiter sage ich: Du erwartest die Strafe, meine Tochter.«
»Ja«, hauchte sie, »mit ganzem, freudig erregtem Herzen.«
Eckhart fuhr unbeirrt fort: »Darüber hinaus sage ich: Alle die Pfaffen, die vor mir das offene Ohr des Herrn für dich hätten sein sollen, haben dir gar schreckliche Strafen auferlegt, um dein sündiges Fleisch zu züchtigen.«
Obwohl Eckhart seine Stimme am Ende des Satzes nicht gehoben hatte, antwortete Schwester Guta, als sei es eine Frage gewesen: »Ja, Bruder.«
Eine ärgerliche Stirnrunzel zeigte sich senkrecht in dem zerfurchten Gesicht des Alten. »Und dies also muss ich nämlich betrübt feststellen: Du hast es genossen. Die Angst davor und die Züchtigung danach hast du gekostet wie ein Labsal!«
»Ist es uns nicht aufgetragen, voll unbändiger Freude die von allumfassender Liebe getränkte Zurechtweisung des gerechten Herrn zu erwarten?«, begehrte Schwester Guta auf, wie Eckhart meinte, denn er erkannte den trotzigen Klang in ihrer Stimme.
»Nein«, beschied er mit überaus scharfer Zunge. »Sich an der Pein zu ergötzen, das ist die wahre Unkeuschheit.«
»Und wahre Keuschheit, was wäre dahingegen dieselbe?«, fragte Schwester Guta wissbegierig, anscheinend unberührt von seinem Tadel.
»So zu sein, wie du warst, bevor du da warst, das ist wahre Keuschheit«, erwiderte Eckhart und fand zu seiner gewohnten Milde zurück. »Bloß dieserart kannst du den Herrn in dir empfangen. Zuerst also jungfräuliche Keuschheit, dann allerdings musst du auch ein Weib sein, damit Gott in dir fruchtbar werde. Darum ist ›Weib‹, nicht ›Frau‹, das edelste Wort, das man zur See le sagen kann, denn allein durch die Fruchtbarkeit, die der jauchzenden, alles erquickenden Vereinigung in der Minne folgt, zollt der Mensch dem väterlichen Herzen Gottes Dank.«
»So … lebe ich nicht … nicht in Sünde?« Die Erleichterung in der Frage Schwester Gutas berührte Eckhart unangenehm. Solche Überheblichkeit zu bändigen war das ihm auferlegte Kreuz, schon damals, als man ihn vor fast zehn Jahren als Stellvertreter des Ordensgenerals nach Straßburg berufen hatte, um dort die Seelsorge für die in ihrer brennenden Gottesminne bisweilen über die Stränge schlagenden Beginen zu übernehmen und sie vor der Gefahr der Ketzerei zu bewahren.
»Schwester Guta, dir gebricht es an Demut!«, donnerte er, wie er sich sofort zerknirscht eingestehen musste, ein wenig zu laut. Er hielt inne und zwang sich, um hernach ruhiger weiterzusprechen, und es gelang ihm, indem er die passenden Worte wählte: »Wohingegen du demütig lieben solltest, wie ich gesagt habe, ob es nun der Herr sei oder dein Friedel: Es dürfte nicht deine Minne sein, sondern die Gottes durch dich. Nimm dieses Wort demütig an als die dir von Ihm zuerkannte Strafe. Dies möge dir in seiner Güte der gewähren, der in vollkommener Dreieinigkeit lebt und regiert:
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