Den du nicht siehst
Bewegung. Sie stiegen die halb verrottete Holztreppe zur Haustür hoch und pochten an die Tür, da es keine Klingel gab. Sie mussten dreimal klopfen, ehe geöffnet wurde. Ein Mann, der viel zu jung war, um Jan Hagman sein zu können, trat in die Türöffnung. Er schaute sie fragend an.
»Hallo?«
Knutas stellte sich und die anderen vor.
»Wir suchen Jan Hagman«, sagte er.
Der Gesichtsausdruck des Mannes zeigte Beunruhigung.
»Worum geht es?«
»Es ist nichts Ernstes«, sagte Knutas beruhigend. »Wir möchten ihm nur einige Fragen stellen.«
»Geht es um meine Mutter? Ich bin Jens Hagman, Jans Sohn.«
»Nein. Es geht um etwas ganz anderes«, versicherte Knutas.
»Na gut. Er hackt gerade Holz. Warten Sie einen Moment.«
Er drehte sich um, holte ein Paar Holzschuhe und stieg hinein.
»Kommen Sie. Er ist hinter dem Haus.«
Als sie um die Hausecke bogen, hörten sie rhythmische Axtschläge. Jan Hagman bückte sich über den Hackklotz, in tiefer Konzentration, wie es schien. Er hob die Axt und schlug zu. Die Klinge bohrte sich in das Holzstück, das gespalten wurde und zu Boden fiel. Seine fülligen Haare hingen ihm ins Gesicht. Er trug Shorts und hatte die Ärmel seines Baumwollpullovers weit hochgeschoben. Seine Beine waren behaart und von der Sonne bereits tief gebräunt. Die Armmuskeln traten hervor, wenn er die Axt hob. Breite Schweißflecken überzogen seinen Pullover.
»Jan! Die Polizei möchte mit dir reden!«, rief sein Sohn.
Knutas runzelte die Stirn und fand es seltsam, dass der Sohn seinen Vater mit Vornamen ansprach.
Jan Hagman ließ die Axt sinken. Er stellte sie auf den Boden.
»Und, was wollen Sie? Die Polizei war schon einmal hier«, sagte er mürrisch.
»Jetzt geht es aber nicht um den Tod Ihrer Gattin«, sagte Knutas. »Können wir ins Haus gehen und uns setzen?«
Der hoch gewachsene Mann musterte sie der Reihe nach, sagte aber nichts.
»Warum nicht«, antwortete stattdessen der Sohn. »Ich setz schon mal Kaffeewasser auf.«
Er führte sie ins Haus. Knutas und Karin Jacobsson nahmen auf dem Sofa Platz, Kihlgård in einem Sessel.
Sie schwiegen und schauten sich um. Sie saßen in einem düsteren Zimmer in einem düsteren Haus. Dunkelbrauner Teppichboden, dunkelgrüne Tapeten. An den Wänden hingen zahlreiche Bilder. Die meisten zeigten Tiere in Winterlandschaften. Rehe im Schnee, Schneehühner im Schnee, Elche und Hasen im Schnee. Sie waren alle keine großen Kunstkenner, aber man sah, dass es sich hier nicht um alte Meister handelte. Eine der Wände war ausschließlich mit Gewehren verschiedenster Fabrikate bedeckt. Auf einem runden Ziertisch mit offenbar selbst gehäkeltem Spitzendeckchen entdeckte Karin Jacobsson zu ihrem Entsetzen einen ausgestopften grünen Wellensittich auf einem Stöckchen.
Im Haus herrschte eine dumpfe, bleierne Stimmung, die Wände schienen zu seufzen. Schwere Portieren mit gewaltigen Aufhängungen schlossen nahezu jeden Lichtschein aus. Die Möbel waren dunkel und klobig und hatten schon bessere Tage gesehen. Knutas ertappte sich bei der Überlegung, ob er aus dem durchhängenden Sofa wieder hochkäme, ohne um Hilfe bitten zu müssen, als Jan Hagman das Zimmer betrat. Er trug ein sauberes Hemd, zeigte aber weiterhin dieselbe mürrische Miene.
Er setzte sich in einen Sessel vor eines der Fenster.
Knutas räusperte sich.
»Unser Besuch hat nichts mit dem tragischen Tod Ihrer Gattin zu tun. Äh, wir möchten Ihnen natürlich unser Beileid aussprechen«, sagte er und räusperte sich erneut.
Jan Hagman starrte ihn feindselig an.
»Es geht um etwas anderes«, sagte der Kommissar. »Ich nehme an, dass Sie von den beiden Frauenmorden gehört haben, die hier auf Gotland passiert sind. Bei unseren Ermittlungen hat sich herausgestellt, dass Sie einmal mit einer von ihnen zu tun hatten, mit Helena Hillerström, zu Beginn der Achtzigerjahre, als Sie an der Säve-Schule gearbeitet haben. Stimmt das?«
Die ohnehin schon bedrückende Stimmung im Zimmer wurde eisig. Hagman verzog keine Miene.
Sie schwiegen lange. Kihlgård schwitzte und wand sich so, dass sein Sessel knarrte. Knutas wartete und hielt seinen Blick auf Hagman gerichtet.
Karin Jacobsson sehnte sich nach einem Glas Wasser. Als der Sohn mit einem Tablett voller Kaffeetassen ins Zimmer kam, hatten alle das Gefühl, jemand habe ein Fenster geöffnet und Licht hereingelassen.
»Ich dachte, Sie hätten vielleicht gern einen Kaffee«, sagte er unbeholfen und stellte das Tablett mit Kaffee und gekauften
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