Den du nicht siehst
Keksen auf den Tisch.
»Ja, danke«, murmelten die Besucher wie aus einem Munde, und die Anspannung wurde noch einen weiteren Moment durch das Gluckern von Kaffee und das Klirren der Tassen überbrückt.
»Du kannst uns jetzt in Ruhe lassen«, sagte der Vater barsch. »Und mach die Tür hinter dir zu.«
»Sicher«, sagte der Sohn und verschwand.
»Na, und wie war das nun also mit Helena Hillerström?«, fragte Knutas, als die Tür ins Schloss gefallen war.
»Es stimmt. Wir hatten ein Verhältnis.«
»Wie kam es dazu?«
»Sie ging in eine meiner Klassen, und wir hatten während der Stunden viel Kontakt miteinander. Sie war so fröhlich und …«
»Und?«
»Ja, der Unterricht war lustiger, wenn sie dabei war.«
»Wie hat Ihr Verhältnis angefangen?«
»Auf einem Schulfest im Herbst. Helena war in der vorletzten Klasse. Das war 1982.«
»Was haben Sie auf diesem Fest gemacht?«
»Ich gehörte zu den Lehrern, die Aufsicht führten.«
»Was ist zwischen Ihnen und Helena passiert?«
»Nach dem Fest, als wir noch aufgeräumt haben, hat sie mitgeholfen. Ja, sie war ziemlich redselig …«
Hagmans Stimme wurde leiser, und seine Gesichtszüge entspannten sich.
»Was ist dann passiert?«
»Sie suchte eine Mitfahrgelegenheit, und da sie in meiner Nähe wohnte, bot ich an, sie nach Hause zu fahren. Ich weiß gar nicht, wie dann alles so gekommen ist. Sie hat mich geküsst. Sie war jung und hübsch. Ich bin ja schließlich auch nur ein Mann.«
»Und danach?«
»Haben wir uns heimlich getroffen. Ich war doch verheiratet und hatte Kinder.«
»Wie oft haben Sie sich getroffen?«
»Ziemlich oft.«
»Wie oft?«
»Ach, das war sicher zwei, dreimal die Woche.«
»Und was war mit Ihrer Frau? Hat die nichts gemerkt?«
»Nein. Wir haben uns meistens tagsüber getroffen, nachmittags. Und meine Kinder hatten ihre eigenen Sachen im Kopf.«
»Wie war Ihre Ehe?«
»Miserabel. Einfach tot. Deshalb hatte ich auch kein schlechtes Gewissen. Jedenfalls nicht meiner Frau gegenüber«, sagte Hagman.
»Wie war Helena als Mensch?«, fragte Kihlgård.
»Sie war … ja, wie soll ich sagen«, Hagman zögerte. »Sie war wunderbar. Sie hat mir wieder Lebensfreude geschenkt.«
»Wie lange hat diese Beziehung gedauert?«
»Sie endete zu Beginn der Sommerferien.«
Hagman schaute auf seine Hände. Karin Jacobsson bemerkte, dass er fast ununterbrochen Däumchen drehte. Sie erinnerte sich, dass er das auch bei ihrem ersten Besuch getan hatte, nach dem Tod seiner Frau. Dass noch immer Leute diese Angewohnheit hatten, dachte sie erstaunt.
»Im späten Frühling, im Mai, glaube ich, fand eine Klassenfahrt nach Stockholm statt. Ich gehörte zu den Lehrern, die als Begleitpersonen dabei waren.«
»Und was ist dort passiert?«
»Eines Abends nach einem Essen waren Helena und ich unvorsichtig. Sie kam mit auf mein Zimmer. Irgendwer hat das offenbar gesehen und einer Kollegin Bescheid gesagt. Die hat mich dann zur Rede gestellt. Da musste ich alles zugeben. Sie sagte, es würde unter uns bleiben, wenn ich verspräche, mich nicht mehr mit Helena zu treffen. Das tat ich.«
»Und was passierte dann?«
»Wir kehrten nach Gotland zurück. Ich machte mit Helena Schluss. Sie wollte das nicht begreifen. Und schon bald trafen wir uns wieder. Ich kam einfach nicht dagegen an. Und irgendwann wurden wir dann im Umkleideraum von einem Kollegen überrascht. Das war in der ersten Woche der Sommerferien. Wir Lehrer mussten eine Woche länger arbeiten.«
»Wie hat sich die Schule verhalten?«
»Der Rektor hat die Sache nicht an die große Glocke gehängt. Er hat für meine Versetzung an eine andere Schule gesorgt. Es gab viel Gerede, ich musste mir einiges anhören. In den Augen der meisten war ich wohl vollständig erledigt. Meine Frau erfuhr es natürlich auch. Ich wollte mich scheiden lassen, aber sie weigerte sich. Wir beschlossen, umzuziehen. Meine neue Schule lag in Öja, und deshalb kauften wir hier diesen Hof. Er war nicht weit entfernt und gefiel uns, und wir konnten das ganze Gerede hinter uns lassen. Helena durfte ich ja ohnehin nicht mehr treffen. Als ihre Eltern von der Sache erfuhren, gerieten sie außer sich. Drohten, mich umzubringen, wenn ich ihre Tochter nicht in Ruhe ließe.«
»Wie hat Helena reagiert?«
Hagman drehte hektisch Däumchen. Er schwieg so lange, dass Knutas seine Frage schon wiederholen wollte, als schließlich doch eine Antwort kam.
»Sie hat nie wieder von sich hören lassen. Sie war so jung. Sie hat vermutlich
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