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Den du nicht siehst

Den du nicht siehst

Titel: Den du nicht siehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mari Jungstedt
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festgefahren.« Knutas wurde kreideweiß. Er trat auf die Bremse und hielt schlingernd neben einigen Mülltonnen, die am Straßenrand standen. Er sprang aus dem Wagen, riss die Hintertür auf und zerrte den völlig verblüfften Kihlgård aus dem Auto.
    »Was redest du da? Hast du denn komplett den Verstand verloren?«, schrie er.
    Kihlgård wusste zunächst gar nicht, wie er reagieren sollte. Entschied sich dann aber für die Offensive.
    »Was zum Teufel soll das denn? Ich hab doch Recht. Irgendwas musste passieren, verdammt noch mal. Sonst kommen wir nie weiter.«
    »Scheiße, was denkst du dir eigentlich?«, brüllte Knutas zurück. »Wie zum Henker kannst du dich darüber freuen, dass ein durchgeknallter Irrer eine junge Frau ermordet hat? Bist du vielleicht schon genauso krank?«
    Karin, die im Wagen sitzen geblieben war, stieg nun ebenfalls aus und ging dazwischen. Sie packte Knutas, der noch immer Kihlgårds Hemdkragen fest im Griff hielt.
    »Spinnt ihr eigentlich beide?«, rief sie. »Wie führt ihr euch denn hier auf? Seht ihr nicht, dass die Leute uns schon anstarren?«
    Die beiden Männer rissen sich zusammen und blickten zur anderen Straßenseite hinüber. Dort lag ein Bauernhof, vor dem festlich gekleidete Menschen mit Blumenkränzen auf den Köpfen die wütenden Männer interessiert beobachteten.
    »O verdammt«, sagte Knutas und ließ die Fäuste sinken.
    Kihlgård strich seine Kleidung glatt, machte eine leichte Verbeugung vor dem Publikum und setzte sich wieder ins Auto.
    Schweigend fuhren sie weiter. Es wäre wohl klüger gewesen, diese Diskussion auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, dachte Knutas. Aber bei Kihlgårds Worten war ihm einfach eine Sicherung durchgebrannt.
     
    Karin saß neben ihm. Sie sagte kein Wort. Knutas wusste, dass sie verärgert war.
    Um sich nicht Kihlgårds Genörgel anhören zu müssen, schaltete Knutas das Radio ein. Er kurbelte das Fenster herunter. Wieder ein Mord. Das war doch einfach nicht möglich. Noch eine Frau. Wieder Axthiebe. Wann würde das endlich aufhören? Sie waren nicht weitergekommen. In dieser Hinsicht hatte Kihlgård Recht. Knutas versuchte, sich auf den Anblick vorzubereiten, der sie erwarten würde. Er schaute kurz zu Karin hinüber. Sie schwieg und starrte vor sich hin.
    »Woran denkst du?«, fragte er.
    »Wir müssen den Täter finden. Und zwar schnell«, sagte sie verbissen. »Das hier wird den Leuten schreckliche Angst einjagen.«

 
     
     
     
    Der Tatort war bereits abgesperrt, als sie den Hof erreichten. Sohlman und seine Leute waren mit der Spurensicherung beschäftigt.
    Sie stellten den Wagen auf dem mit Kies bestreuten Hofplatz ab und liefen zur Töpferwerkstatt hinüber. Beim Betreten des Ateliers schreckten sie instinktiv zurück. Überall war Blut. Der süßliche Gestank war Ekel erregend. Karin konnte nicht an sich halten. Sie erbrach sich an der Türöffnung.
    »O verdammt«, presste Kihlgård hervor. »So was Schreckliches hab ich ja noch nie gesehen!«
    Der nackte Frauenkörper auf dem Boden schwamm in Blut. Tiefe, klaffende Wunden in Hals, Bauch und Oberschenkeln. Knutas musste sich zwingen, neben die Leiche zu treten. Und richtig. In ihrem Mund steckte eine weiße Baumwollunterhose. Karin stand in der Tür und lehnte sich an den Rahmen. Ohnmächtig vor Entsetzen sahen sie sich im Raum um.
    Es gab nur den einen Eingang. Am Boden lag ein zerbrochener Spiegel. Die Scherben funkelten im Sonnenlicht. Ein Stück davon entfernt befand sich ein Tonklumpen.
    »Offenbar war sie gerade bei der Arbeit«, sagte Knutas. »Seht ihr den Klumpen da hinten?«
    »Ja«, antwortete Karin und wandte sich Sohlman zu, der neben dem Leichnam hockte. »Wie lange ist sie schon tot, was meinst du?«
    »Sie ist ganz starr. Und wenn wir außerdem die Leichenflecken berücksichtigen, dann glaube ich doch, dass sie seit mindestens zwölf Stunden tot ist. Aber nicht sehr viel länger. Ihr Körper ist noch immer warm.«
    »Wer hat sie gefunden?«
    »Eine Freundin. Cecilia Ångström. Sie ist im Haus.«
    »Ich gehe zu ihr«, sagte Knutas.
    Von außen wirkte Gunilla Olssons Haus zu groß für nur eine Person. Es handelte sich um ein zweistöckiges Kalksteingebäude, das offenbar sehr alt war.
    Knutas ging hinein und versuchte, sich von dem grausigen Bild der Leiche frei zu machen.
    Am Küchentisch saß eine junge Frau mit gesenktem Kopf. Ihre langen, dunklen Haare verdeckten ihr Gesicht. Sie trug ein helles Sommerkleid mit schmalen Trägern. Eine uniformierte

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