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Den ersten Stein

Den ersten Stein

Titel: Den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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Problem damit, hart zuzulangen, aber normalerweise suchten sie sich Opfer aus, die sich nicht wehren konnten. Sie brauchten
     die Wall Street, und so hatten die Leute, die dort arbeiteten, einigermaßen freie Hand, solange sie diskret blieben. Ein paar
     Gerüchte über Unzufriedenheiten genügten nicht, um eine derart extreme Reaktion hervorzurufen. Es mochte sich um die Revanche
     für Bruder Isaiahs Tod handeln, was bedeutete, dass die Ältesten bereits gegen jeden vorgingen, den sie für involviert hielten.
    Auf dem Bildschirm war jetzt eine Pressekonferenz zu sehen, die von Staatsanwalt Richard Murray abgehalten wurde. Der Ton
     war ausgestellt, doch dem Nachrichtenlaufband war zu entnehmen, dass die Anklage auf Steuerhinterziehung lautete und außerdem
     ein Betrugsverfahren im Hintergrund stand. »Sie werden beschuldigt, von der Ausrüstung der Truppen in Israel profitiert zu
     haben«, sagte ich.
    Benny lachte schallend. »Das ist ja stark. Was denken die eigentlich, was sie selber in den letzten fünf Jahren gemacht haben?«
    »Die Anklage kommt von der Staatsanwaltschaft, nicht vom
Kreuzzug
oder dem Komitee für Kinderschutz.«
    »Das macht einen besseren Eindruck, wirkt offizieller. Wenn die Bürohengste in Albany pinkeln müssen, machen sie ihren Hosenschlitz
     erst auf, wenn sie das schriftliche Einverständnis der Ältesten haben. Wenigstens sehe ich keinen von meinen eigenen Leuten
     in diesem Zirkus.« Er seufzte. »Die in der Zentrale rasten wahrscheinlich gerade aus. Oi wej, das wird eine Scheißwoche.«
    »Du wirfst in letzter Zeit ziemlich viel mit Jiddisch um dich«, sagte ich.
    »Das liegt an meinem neuen Chef. Der Direktor hat ihnim Schnelldurchlauf befördert, um sich an Washington ranzuschleimen.«
    »Ein wahrer Gläubiger, hm?«, fragte ich und trank einen Schluck Kaffee.
    »Ich habe fünf Jahre lang mit Baptisten, Katholiken oder sonst was zusammengearbeitet«, sagte Benny. »Immer problemlos. Dann
     taucht dieser Nudnik auf und spielt sich wer weiß wie auf. Plötzlich haben wir jede Woche Gebetsfrühstück, und er beendet
     jede Sitzung mit ›Jesus segne Amerika‹ – nicht Gott, Jesus. Also lasse ich aus reiner Selbstverteidigung ein bisschen den
     Juden raushängen.« Er zeigte mir sein Jiddisch-Taschenwörterbuch. »Wenn dieses selbstgerechte Arschloch mich nur noch ein
     einziges Mal fragt, ob ich die Frohe Botschaft gehört habe, lasse ich mir Schläfenlocken wachsen und gründe eine Klezmer-Band.«
    Ich stellte meinen Kaffee ab. Wenn ich noch mehr trank, würde er mir zur Nase rauskommen.
    »Ja, lach du nur.«
    »Mach ich.«
    »Soviel ich weiß, bist auch du immer noch jüdisch.«
    »Meine Mutter war jüdisch«, erwiderte ich. »Und auch erst gegen Ende.« Ich dachte an das Halbgeschosshaus, in dem ich mit
     meiner Familie gelebt hatte. Wie durch einen offenen Türspalt hatte ein schmaler Lichtstrahl zwischen den heruntergezogenen
     Jalousien seinen Weg zu mir gefunden. Mein Vater und ich hatten reglos dagesessen, von Männern und Frauen, die er kaum kannte
     und die ich nie gesehen hatte, stumm unterstützt, die Köpfe vor Gott bedeckt.
    »Für uns reicht das und für die auch«, sagte Benny. »Wenn sie uns glühende Juden erst einmal überredet haben, ins Heilige
     Land zu gehen, werden sie auch an deine Tür klopfen.« Er konnte sehen, dass ich nicht überzeugt war. »He, so schlecht ist
     das ja vielleicht gar nicht. So, wie die Dinge sich im Landunserer Geburt entwickeln, ist es nicht zu verachten, im Notfall auf das Heimatland der Ahnen zurückgreifen zu können.«
    »Ich dachte, dein Vetter in Jerusalem fände es dort schrecklich.«
    »Nein, er mag die Stadt. Ihn nerven nur die Putzes da drüben, die Idioten, die von den Arschlöchern hier bei uns an die Macht
     gebracht worden sind. Denen sind unsere Truppen und das Geld zu Kopf gestiegen; er sagt, sie schwenken ihre Schwänze wie ein
     Tambourmajor seinen Stab.«
    »Als es losging, schien das keinen zu stören.«
    »Wenn dein bester Freund auf der Welt dir sagt: ›Wir verteidigen dich gegen deine Feinde und übrigens, wir bringen eine Unmenge
     Geld mit‹, wer würde da ablehnen?«
    Kennengelernt habe ich Benny in der Armee, wo man uns beibrachte, aus vollkommen funktionstauglichen Flugzeugen zu springen.
     Ich war der Einzige in der Einheit, der ihn mit seinem Vornamen ansprach. Alle anderen nannten ihn »Gotteslästerer«. Als der
     Krieg gegen den Iran erklärt wurde, hatten vor allem die Kirchen Freiwillige für den

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