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Den ersten Stein

Den ersten Stein

Titel: Den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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spielen, dasssie gleichzeitig Pirouetten drehen und den Blick auf das Ziel gerichtet halten konnten. Das waren die jungen Frauen, die einem
     im Vorbeigehen einen langen Seitenblick zuwarfen, um die Mundwinkel die Andeutung eines Lächelns zum Zeichen, dass sie sich
     von niemandem zum Narren halten ließen, außer von sich selbst.
    »Da freut sich ein Mann doch, dass er am Leben ist«, sagte Benny.
    »Wie geht es deiner Frau?«, fragte ich. »Wann ist es noch mal so weit?«
    »In anderthalb Monaten, du Klugscheißer«, antwortete Benny. »Ich sage ja nur, dass ein Mann, dessen Begeisterung nicht durch
     einen Ring gezügelt wird, angesichts einer solchen Szenerie das Bedürfnis empfinden könnte, etwas zu unternehmen.«
    »Diese Frauen sind zwei Klassen zu hoch für mich.«
    »Manche Mädels aus den Außenbezirken mögen ein bisschen Schrot und Korn in ihrer Suppe«, meinte Benny.
    »Möglich, aber das spucken sie meistens aus, bevor sie mit dem Essen fertig sind.« Ich drückte meine Zigarette aus und warf
     sie in den Mülleimer.
    Der am günstigsten gelegene Tisch im Diner war mein Stammplatz. Er stand in der hinteren Ecke und war vom Nachbartisch durch
     ein Büschel Kunstfarn getrennt, das einigermaßen unmotiviert dort emporragte. Die Spiegel entlang der Wände gestatteten mir
     einen ziemlich guten Blick auf die Straße vor der Fensterfront und ebenso auf die meisten Tische in dem Lokal. Der durchschnittliche
     Gast oder Passant würde ziemlich auffällig in meine Richtung starren müssen, um auch nur einen Blick auf mein Profil zu werfen,
     und bis dahin wäre sein Interesse offenkundig.
    In unserer Abwesenheit war unser Essen eingetroffen. Benny blickte von seiner Bestellung – ein riesiger Stapel Pfannkuchenund Rührei, dazu Orangensaft – auf meine einsame Tasse Kaffee.
    »Hast du keinen Hunger?«
    »Im Moment nicht.« Mir war das Delectra ausgegangen und deshalb war mir das Frühstück vor zwei Stunden am falschen Ende rausgekommen.
     Mein Körper fühlte sich an wie eine Stimmgabel, die mit einem Schmiedehammer angeschlagen wird. Das wirkte Wunder auf meine
     Verdauung. Die Vibrationen waren nicht so schlimm, dass ich zitterte, aber der Boden schien sich leicht unter meinen Füßen
     zu wellen, als würde die Stadt atmen. Mein tatsächlicher Hunger blieb allerdings unbeeinflusst; die Zigarette hatte dazu gedient,
     ihn zu lindern.
    Er betrachtete mich forschend.
    »Nur eine kleine Verdauungsstörung, Benny. Es geht mir gut.«
    »Mrs Rose«, fragte Benny, »haben Sie diese Schande gesehen?«
    Mrs Rose Warberg war die Inhaberin des Starlight. Sie war eine kleine Frau, die ewig Ende fünfzig zu sein schien, ohne jemals
     sechzig zu werden. Rose hatte das Lokal vierzig Jahre lang zusammen mit ihrem Mann geführt, doch vor ein paar Jahren war er
     verstorben. Nun war sie die Alleininhaberin. Jemand anders hätte das gar nicht durchgehalten.
    Rose betrachtete von ihrem Platz hinter der Theke aus die relative Größe unserer Mahlzeiten. Die starke Bifokalbrille, die
     sie an einer Kette trug, unterstrich ihr Missfallen noch.
    »Magst du jetzt mein Essen nicht mehr, Felix?«, fragte sie.
    »Er sagt, er hat eine Verdauungsstörung«, meinte Benny.
    »Na ja, sag ihm, Verdauungsstörungen sind was für Welpen und für Frauen, die sich Sorgen um ihr Gewicht machen.«
    »Ich habe keinen Appetit«, erklärte ich beiden. »Können wir es bitte dabei belassen? Ich bin mir sicher, Ihre Gäste wollennichts über den Inhalt meiner Gedärme hören, während sie beim Essen sind.«
    »Wenn du das nächste Mal hier bist, möchte ich aber ordentlich Appetit sehen«, meinte Rose. »Niemand magert in meinem Lokal
     ab; das ist schlecht fürs Geschäft.« Nachdem sie ihr Urteil verkündet hatte, ging sie in die Küche.
    Da Benny nun keine Unterstützung mehr hatte, akzeptierte er meine Erklärung widerwillig und setzte sich. »Du solltest nicht
     jemanden zum Mittagessen einladen und selbst nichts essen«, sagte er. »Das macht mich befangen.«
    »Scheint dich aber nicht daran zu hindern, ordentlich zuzuschlagen«, entgegnete ich. »Übrigens hast du da ein Frühstück und
     kein Mittagessen vor dir.«
    »Jeder, der ein Sandwich nimmt, wenn er Pfannkuchen kriegen kann, ist ein Schlemihl.«
    Ich ließ ihn mit seinen Pfannkuchen anfangen, während ich mir ein paar Sachen durch den Kopf gehen ließ. Über Isaiah hätte
     ich den Mund auch dann gehalten, wenn ich es White nicht versprochen hätte. Ich wollte nicht, dass Benny in

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