Den ersten Stein
Kopf mit Nebel, aber
mir blieb keine Wahl. Ich würde nicht sehr produktiv sein, wenn ich alle fünf Minuten vor Schmerzen schrie. Ich kroch ins
Badezimmer zurück und fand dieTabletten. Danach konnte ich nur noch auf den Kacheln liegen und über meine Lage nachdenken.
Da ich nicht mit einer Aussage von Junior vor Whites Nase herumwedeln konnte, würde es mir schwerfallen, zu erklären, was
ich mit dem gestrigen Tag angefangen hatte. Ich dachte über Iris nach, über Fakten, die für den Fall unerheblich waren: das
Schimmern ihres schwarzen Kleides, die Linie ihrer Beine in hochhackigen Schuhen, die Tränen, die ich hinter der Sonnenbrille
gesehen hatte.
Allmählich fühlte ich mich meiner Normalverfassung so nahe, wie ich ihr überhaupt kommen würde. Selbst mit Hilfe von Songs
Arznei hatte ich in den letzten zwei Tagen kaum festes Essen im Magen behalten. Protein-Shakes und Multivitaminpräparate verschafften
meinem Körper gerade genug Energie, um zu funktionieren, halfen aber nicht gegen das Schwindelgefühl. Ich verscheuchte alle
Gedanken an Pfannkuchen und Speck, stellte mich unter die Dusche und wusch den Schweiß ab. Der Anfall war so leicht gewesen,
dass ich allein damit zurechtgekommen war. Morgen würde das anders sein.
Ich stellte den Fernseher an und fahndete nach einem sauberen Hemd. Auf dem Bildschirm sah man eine aus dem Hubschrauber geschossene
Aufnahme einer Flotte von Containerschiffen, die unmittelbar vor Haifa ankerte. »Die Schiffe liegen seit sechs Stunden in
dieser Position«, sagte eine Sprecherin. »Sie haben keine Anstalten gemacht, in Haifa anzulegen und ihre Fracht zu entladen.
Alle Schiffe gehören zu Thorpe Industries.« Das ließ mich aufhorchen. Ich schaltete über die Piratensatellitenverbindung auf
BBC um. Dort wurde eine fast identische Aufnahme aus dem Hubschrauber gezeigt, aber dann wechselte das Bild zu einer Montage
mehrerer israelischer Luftwaffenstützpunkte, auf denen Frachtflugzeuge landeten. »Alle Containerschiffe von Tochtergesellschaftender Thorpe Industries sind gestoppt worden«, sagte eine beruhigend britische Stimme, »und ebenso die der Cowan Group und jene
von Rice-Palmer. Die Lufttransporte zu israelischen Luftwaffenstützpunkten laufen weiter. Gemeinsam sorgen die drei Unternehmen
für den größten Teil des Nachschubs für die amerikanischen Truppen in Israel.« Wenn das kein Warnschuss war, dann wusste ich
es nicht. Die Lufttransporte würden verhindern, dass die Truppen verhungerten, aber eine so mächtige und hungrige Maschinerie
wie das Militär der Vereinigten Staaten brauchte ununterbrochen Nachschub. Die Armee konnte das Mittagessen ohne Kopfschmerzen
übergehen, aber wenn dann auch noch das Abendessen ausfiel, würde das ernsthafte Probleme verursachen. »Es stellt sich die
Frage, wie lange die Truppen ohne seegestützten Nachschub auskommen können. Hören Sie dazu unseren Militärkorrespondenten …«
Ich schaltete zu unseren patriotischen Sendern zurück, um zu sehen, wie sie sich verbogen, um das zu erklären. »Während erste
Berichte einen terroristischen Anschlag vermuteten«, sagte die Sprecherin, »sieht es jetzt so aus, als ob ein technisches
Problem einer neuen Navigationssoftware verantwortlich ist. Ingenieure werden eingeflogen, um die Reparaturen durchzuführen,
und unseren Quellen zufolge geht man davon aus, dass das Problem morgen behoben sein wird.« Diese Ausrede würde nicht lange
vorhalten, aber das erachteten die Ältesten auch nicht für notwendig. Die Vorhersage war ein Ultimatum. »Der Aktienkurs von
Thorpe Industries ist um vierzig Prozent gefallen, und ein Ende des Absturzes ist nicht in Sicht.« Wer immer den Leerverkauf
am Montag durchgeführt hatte, hatte gerade eine Menge Geld verdient.
Die Tatsache, dass die Medien die Jagd auf Thorpe noch nicht eröffnet hatten, zeigte, dass die Ältesten die Sache friedlich
regeln wollten, wenn es ging. Wenn sie wirklich etwasmit Juniors Verschwinden zu tun hatten, würde das reichen, um die Vorstände der Cowan Group und von Rice-Palmer zu einem so
radikalen Schritt zu bewegen. Die Festnahme jener Wall-Street-Manager hatte den Schatten der Angst in die Vorstandsetagen
des Landes getragen. Wir hatten uns daran gewöhnt, unter der Wolke zu leben, aber bisher war sie noch nie bis zum Penthouse
hochgestiegen.
Ich schaute aus dem Fenster, um zu sehen, welches Wetter ich würde ertragen müssen. Auf der Straße parkte eine
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