Den ersten Stein
erkennen.
»Ich bin von dir enttäuscht, Carmine.«
»Sie glauben einer Hure und einem Spastiker mehr als mir?«, schrie Carmine.
Seine Show beeindruckte niemanden. Zwei Männer des Korinthers packten den stotternden, zitternden Mann. In seinem Gesicht
stand ein benommenes, bittendes Lächeln, das alle seine pissefarbenen Zähne enthüllte. Es war das Lächeln einer Leiche, wenn
die Totenstarre eintritt.
»Bringt ihn zur Farm.«
Carmine brüllte und wand sich so heftig, dass die Männer, die uns hierher begleitet hatten, den anderen beiden helfen mussten,
ihn wegzuschaffen. Während des ganzen Kampfs flehte Carmine um Gnade. Das Gesicht des Korinthers blieb so unbewegt, als rede
jemand in einer Fremdsprache zu ihm.
»Sie haben mir einen Gefallen getan«, sagte er zu Iris, nachdem sie Carmine aus dem Zimmer geschleppt hatten. »Das erkenne
ich an und bezahle Ihre Informationen mit ein paar von meinen eigenen: Thorpes Angestellte haben den verlorenen Sohn seit
Montag nicht mehr gesehen. Thorpes Privatjet steht noch immer in einem Hangar in LaGuardia. Bei der Polizei wurde kein Vermisster
gemeldet.«
»Lösegeldforderungen?«, fragte Iris.
Er schüttelte den Kopf. »Falls er entführt wurde, weiß die Polizei nichts davon.«
»Er könnte ohne das Wissen seines Vaters abgehauen sein«, sagte ich.
»Junior könnte nicht mal ohne Hilfe eines Hausmädchens morgens seine Hose anziehen«, erklärte der Korinther. »Al lein käme er keine vierundzwanzig Stunden durch.«
»Sie sind anscheinend sehr interessiert an dem, was Junior tut«, bemerkte ich.
Der Korinther legte seine Interpretation eines Lächelns auf. »Er schuldet mir Geld. Keine große Summe für einen Mannmit seinen Mitteln, aber aus prinzipiellen Gründen für mich von Bedeutung. In einer anderen Zeit hätte ich Ihnen diese Sache
übergeben, Strange.«
Ich spürte Iris’ Augen auf meinem Gesicht. Sie brannten. Ich verweigerte dem Korinther die Befriedigung, die Ärger oder Abstreiten
meinerseits ihm verschafft hätten.
»Der Betrag ist nicht groß genug, um deswegen den Sohn einer bedeutenden Persönlichkeit zu töten, bevor sie mir die Frage
stellen«, fuhr der Korinther fort. »Ich mag nur einfach keine Unklarheiten in meinen Geschäftsbüchern.«
»Ein Mann, der dumm genug ist, Geld von Ihnen zu leihen, hat wahrscheinlich auch noch andere Gläubiger«, meinte ich.
»Keine Organisation, die das Kapital hat, seinen Appetit zu befriedigen, hat ihn gesehen«, erwiderte der Korinther. »Ich war
gründlich.«
Er war zu paranoid, um es offen auszusprechen, aber die Schlussfolgerung lag auf der Hand: Jemand in der Regierung hatte Junior
verschwinden lassen. Das engte die Liste der Verdächtigen nicht so weit ein, wie ich es mir gewünscht hätte: Mehr als eine
Bundesbehörde mischte im Sack-über-den-Kopf-Geschäft mit, und ich wusste wohl noch nicht einmal über alle Bescheid. »Ich hätte
nicht gedacht, dass Junior diese Art von Feinden hat.«
»Man sagt, jeder Mann sei der Sohn seines Vaters«, gab der Korinther zurück. Er wandte sich Iris zu: »Falls Sie Junior treffen,
möchte ich Sie bitten, ihm auszurichten, dass er mich anrufen soll.« Nach seiner Stimme zu schließen, bezweifelte er, dass
das in diesem Leben noch passieren würde.
Ich bekam das Gefühl, dass es Zeit zum Aufbruch war. Ich bugsierte Iris in Richtung Tür, bevor sie eine weitere Frage stellen
konnte.
»Strange«, sagte der Korinther, als ich ihr nach draußenfolgen wollte. »Es war ein Fehler, Sie letztes Mal leben zu lassen.«
Vier seiner Leute hatten alle Hände voll mit Carmine zu tun. Zwei Rausschmeißer standen bei der Eingangstür, drei weitere
arbeiteten im Erdgeschoss und nochmals drei unten. Keiner würde schnell genug da sein, um mich daran zu hindern, den Korinther
durch die getönte Scheibe hinter ihm zu werfen. Ich würde das Waterfront zwar nicht lebendig verlassen, aber das hätte keine
große Rolle gespielt, wenn ich nicht noch etwas zu erledigen gehabt hätte. »Dann schreiben wir dieses Mal der Achtlosigkeit
zu«, sagte ich. Auf dem Weg die Treppe hinunter, durch die Bar und aus der Tür heraus spürte ich seinen Blick zwischen den
Schulterblättern.
Draußen auf der Straße sahen Iris und ich uns eine Weile an. Noch nie war die Luft Brooklyns so süß gewesen.
»Meinen Sie, er hat die Wahrheit über Junior gesagt?«, fragte sie.
»Der Korinther erledigt die Dinge auf seine Art«, antwortete ich. »Ich würde
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