Den Jakobsweg erfahren - Drei Freunde mit dem Fahrrad von Lingen-Biene nach Santiago de Compostella (German Edition)
ist.
Mit Timo hab ich mich im Waschraum wieder verbrüdert, keine Ahnung warum er ungehalten war. Ist auch egal, Hauptsache wir vertragen uns. Die im Schlafsaal erscheinende Reinigungsdame bittet uns höflich aber bestimmt zum Frühstück (venga, venga Pelegrinos = auf auf Pilger!).
Nach dem Packen schlappen wir zum Frühstück. So richtig schmeckt uns das nicht. Und das liegt nicht am Frühstück. Die letzte Fußpilgerin kämpft auch mit ihrem Gepäck herum. Eine Banane lässt sich nicht mehr in ihrem Rucksack unterbringen. Die schenkt sie uns, weil wir ja viel mehr Platz haben. Wir versprechen ihr, dass wir sie an einen Bedürftigen weitergeben. „Buen Camino“ – und dann ist sie verschwunden.
Dann bepacken wir die Räder. Das dauert heute erheblich länger als sonst. Die Taschen kippen ständig um, wollen sich nicht am Gepäckträger befestigen lassen und so weiter und so weiter. Irgendwann hat es schlussendlich doch geklappt und wir schieben nach draußen zu „unserer“ Bank. Der Himmel ist heute Wolken behangen. Zum Glück keine Sonne.
Auf der Bank setzten wir uns und ich nehme den Logbuchnachtrag vor. Gestern Abend ging nichts mehr. Timo und Siggi fragen immer wieder, was ich alles ins Tagebuch schreibe und drohen Zensur an. Ich erinnere die Beiden daran, dass sie versprochen haben, auch etwas zu schreiben. Nicht eine Silbe haben sie bisher notiert, nichts. Und mein Tagebuch zensiert keiner, dass ist mal klar. Und lesen kann ich meine verwaschene Handschrift selbst nur unter größter Mühe. Da haben die Pilgerbrüder keine Chance.
Um 08:30 Uhr ist Abfahrt. Der Jakobsweg führt an unserer gestrigen Wirkungsstätte vorbei. Dort herrscht um diese Uhrzeit schon regen Andrang. Uns zieht es aber weiter. Die Klosterkirche von Irache übt auf uns nicht genügend Reiz aus. So bleibt sie unbesichtigt. Den Stempel gibt es sowieso im Verwaltungsgebäude der Bodega. Es ist zum Glück jemand anderes da als die Dame von gestern. Die hat sich bestimmt über uns krank gelacht und kann daher heute nicht arbeiten.
Wir holen uns dort auch noch einen Pin als Andenken und treten dann in die Pedale. Heute hänge ich hinterher. Als der nächste Ort in Sicht kommt, denken Timo und Siggi, dass es sich um die Ortschaft Torres del Rio handelt. Dort, so hatten wir beschlossen, wollen wir die Kirche besichtigen. Tatsächlich ist es aber Sansol. Es gibt eine kostenlose Dorfrundfahrt. Mit einer rastenden Pilgerin kommen wir ins Gespräch. Woher – Wohin – wieviel Kilometer heute. Sie hat schon 21 gewandert und wir erst 23 gefahren! Also „Buen Camino“ und schnell weiter.
Heute sind sehr viele Pilger unterwegs. Timo hält die Pilger, die wir am Horizont sehen, für Golfspieler. Ich sehe in der Karte nach, aber da ist weit und breit kein Golfplatz. Es müssen daher wohl doch Pilger sein.
In Torres del Rio angekommen, besichtigen wir tatsächlich die Kirche und holen uns da für heute unseren Stempel. Den gibt es wieder einmal in der Souvenirecke. Die mollige Dame dort erzählt auf spanisch, dass sie einen Großvater hat, der Deutscher ist. Das kann ich verstehen. Als sie merkt, dass ich sie verstehe, erzählt, erzählt und erzählt sie. Alles ohne lästig zu werden.
Dann müssen wir weiter. In Viaritz müssen wir unsere Barreserven am Bankautomaten auffüllen. Einer passt auf die Räder auf und zwei sind am Automaten. Es „schleichen“ eigenartigen Typen herum, so meinen wir. Neben der Bank wird ein Wochenmarkt abgehalten. Die Typen sind, wie sich dann zu unserer Beruhigung herausstellt, Gemüseverkäufer, die nur neugierig sind. Also Entwarnung auf der ganzen Linie.
Wir stellen uns an einen Obststand in die Schlange. Bis wir an der Reihe sind, dauert es ziemlich lange. Die Kunden vor uns „palavern“ neben ihrer Bestellung ausgiebig mit dem Verkäufer.
Als ich dran bin, habe ich mittlerweile gelernt, was die Begriffe ein halbes Kilo (mesa kilo), Erdbeeren und Birnen auf spanisch heißen. 500 gr. Erdbeeren und 3 Birnen erfreuen unsere Gaumen. Ein treppenartig geformter Kirchturm in der Nähe ist von Störchen komplett in Beschlag genommen worden. Auf jedem Absatz befindet sich ein Nest. Die gibt es hier reichlich. So wundern wir uns nicht, dass es bei uns zu Hause keine zu sehen gibt.
Der nächste Ort ist Logrono. Hier führt uns der Weg im Zickzack einmal quer hindurch. Als wir den Parque de San Miquel durchfahren, sehen wir eine Pilgergruppe von jungen Frauen. Eine von ihnen ist sichtlich angeschlagen und hängt
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