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Den letzten beißt das Schwein

Den letzten beißt das Schwein

Titel: Den letzten beißt das Schwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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schätze, er ist gezielt umgebracht worden. Er war nämlich der absolute Star der Mannschaft.«
    »Das bedeutet, Sie treten bei Wettbewerben an?«
    »Korrekt. Meine anderen Stallbewohner sind zwar auch nicht ohne, aber Rudi hat bereits etliche Züchterpreise gewonnen. Seine schlechteste Platzierung in den letzten zwei Jahren war ein vierter Rang. Aber da waren die Juroren besoffen. Kennen Sie sich mit Kaninchen aus?« Ein Funkeln trat in seine Augen.
    »Ich besitze auch welche, acht an der Zahl«, strunzte ich.
    »Schlachtkaninchen, nehme ich an.«
    »Nein, aus Spaß an der Freud, deswegen auch mein Interesse an diesen abscheulichen Taten«, flunkerte ich ein wenig, denn laut Testament meines Erbonkels durfte ich die Langohren überhaupt nicht schlachten.
    »Sie sagten vorhin, dass ein Kaninchen dieses...« Er suchte nach dem Namen.
    »Rexforth, Günter Rexforth«, half ich aus.
    »Eines seiner Tiere ist auch getötet worden?«
    »George. Ihm wurde der Schädel eingeschlagen.«
    »Barbarisch«, schüttelte er den Kopf, dann dudelte mein Handy »Paradise City«. SMS-Alarm. Nur wenige Sekunden nach Studium der Nachricht saß ich im Auto und ließ den Motor aufheulen.

CSI Schweinestall

    »Chef, was liegt an?« Ich klemmte das Handy hinters Ohr.
    »Ich bin’s«, flüsterte Emily. »Es ist etwas Entsetzliches geschehen. Jemand hat auf Günter geschossen. Du musst sofort kommen.«
    »Wie geht es ihm? Ist er schwer verletzt oder gar...«
    »Nein«, unterbrach mich Miss Bauernhof. »Nur ein Streifschuss. Es ist passiert, als er gestern nach den Schweinen geschaut hat, wie er es jeden Abend macht. Wir sind zu Dr. Rudolph gefahren, der hat die Wunde verarztet. Aber wir machen uns große Sorgen.« Sie murmelte hastig in den Hörer, als stünde der Attentäter vor der Tür. Verständlich.
    »Bin gleich da.« Hätte nie gedacht, dass sich der Tiermörder auch an Menschen vergreifen würde.
    »Danke, Dieter. Wir zählen auf dich.«
    Dieses Mal hatte ich keine Hemmungen, die Tachonadel über die Hundertermarkierung zu jagen. Komischerweise stotterte der Oldie nicht. Dafür durfte ich mit ansehen, wie die Füllstandsanzeige sich kontinuierlich nach links bewegte. Hatte mein alter Herr eine Ahnung, was ein Buchhalter verdiente? Kaum genug, um die saudischen Ölscheichs zu sponsern. Dennoch: Verstärkt durch die Motorengeräusche nahe der Schallgrenze, fühlte ich mich wie in einem Flugzeug. Die Felder, dunkel-, mangan-, reh- und mahagonibraun, verloren die Nuancen und bildeten eine verwischte Fläche aus Ocker. Passend intonierten Ministry »Jesus built my hotrod« im Radio. Zehn Minuten später ließ ich den Kies des Hagenhofs in sämtliche Himmelsrichtungen spritzen.
    Ein Ehepaar mit Skistöcken kam mir entgegen.
    »Sie wissen, dass hier Schrittgeschwindigkeit gefahren werden muss? Sie gefährden das Leben der anderen Feriengäste, insbesondere das der Kinder! Ich schreibe mir Ihr Kennzeichen auf Wenn ich Sie noch mal erwische, gibt’s eine Anzeige.« Der männliche Nordic Walker zog einen Notizblock aus der Jogginghose.
    Ich kramte in meinem Gedächtnis nach dem Namen des Kölner Lehrerehepaars. »Herr Franke?«
    »Kennen wir uns?«, kam es erstaunt zurück.
    »Mein Bruder hat bei Ihnen die Schulbank gedrückt. Hat Sie immer in den höchsten Tönen gelobt. Einmal war ich bei Ihrem Elternsprechtag. Dieter Nannen, mein Bruder heißt Markus.«
    Instinktiv kramte ich nach einer Zigarette. Ach ja. Vielleicht doch öfter Nosferatus getragener Hypnosestimme lauschen.
    »Markus, Markus, Markus... Gesine, da dämmert mir was.«
    Der weibliche Teil der Trockenskifahrer schaltete sich ein. »Jetzt fällt auch bei mir der Groschen. Ja, Markus Nannen, ein sehr begabter Schüler. Das muss ja ewig her sein.«
    »Ich muss weiter, schönen Tag noch«, verabschiedete ich mich. Konnte nicht schaden, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, falls ich die beiden irgendwann befragen musste.
    Als ich das Haus betrat, hörte ich sie immer noch Anekdoten über meinen Bruder austauschen. »Hat Markus nicht den zweiten Platz bei >Jugend forscht< gewonnen?«
    »Er hat doch auch Cello im Orchester gespielt. Oder war es Bratsche?«
    Allmählich begann ich zu glauben, dass ich tatsächlich einen Bruder hatte.
    Das Ehepaar Rexforth fand ich im Schlafzimmer, einem karg eingerichteten Raum mit antikem Eichenbett, Kleiderschrank und Nachttisch. Eine Duftlampe verströmte Zedernaroma, was dem Zimmer jedoch nicht die Strenge nehmen konnte. Bauersleute halt. Nur

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