Den schnapp ich mir Roman
Spaß hatte, den Mund weit aufriss, traf sie ins Herz.
Sein Körper wirkte in der farbverfleckten Jeans und dem gelben T-Shirt unverändert schlank und kräftig. Nun huschte sein Bleistift über das Papier, zögernd zuerst, dann schwungvoller. Was er wohl zeichnete? Absurderweise hoffte sie, dass sie es wieder wäre. Natürlich konnte das nicht sein. Er hatte sie schon immer schnell vergessen,
selbst als sie noch bei ihm war. Vermutlich würde er sich nach dieser langen Zeit überhaupt nicht an sie erinnern.
Ob er jetzt Tessa Meadmore malte? Sophie verlor fast die Beherrschung. Tessa hatte gesagt, dass Tristan sehr aufmerksam zu ihr war. Gott, sie konnte kaum daran denken. Wenn sie Tessa nur nicht so nett fände! Bei dem Gedanken, sie wäre vielleicht Tristans neue Muse, erstickte sie fast.
Immer wieder blickte Tristan hoch, während seine Finger rasch über das Blatt huschten. Sein Gesichtsausdruck änderte sich unaufhörlich – sehnsüchtig in dem einen Moment, dann traurig, ehe er die Stirn runzelte und düster und dunkel wirkte.
Sie zuckte zusammen, als er laut fluchte und ruckartig das Blatt vom Block riss. Er wirkte verärgert, aber nicht lange. Dann stand er auf und stopfte das Blatt wie beschämt in die Tasche. Mit einem letzten Blick zurück auf die lauschige dunkle Laube wandte er sich ab und ging fort.
Sophie verharrte mehrere Sekunden lang reglos. Dann erhob sie sich. Ihre Beine trugen sie kaum, ihre Schritte waren unsicher. Das war also ihr Wiedersehen. In ihr tobten die widerstrebendsten Gefühle – Wut und Reue, Verzweiflung und Trauer. Und irgendwie war sie froh, aber gleichzeitig auch wie benommen.
Wie hatte er nur alles verderben können, was sie miteinander teilten, wie hatte er ihre Liebe so grob zurückweisen können?
Sophie wischte sich die Tränen von den Wangen, die plötzlich zu fließen begonnen hatten. Das Schlimmste an der Begegnung mit Tristan war, dass es ihr bewiesen hatte, was sie seit fünf Jahren vermutete: Sie liebte ihn immer noch.
Nach allem, was geschehen war, hatten sich ihre Gefühle nicht geändert. Und der arme Gil? Und Ruby? Was für ein Chaos!
Sie musste dringend mit jemandem reden, dachte Sophie, und trat mit den glitzernden Flipflops gegen einen Stein. Sie fühlte sich sehr alleine.
Dann nahm sie ihr Handy und rief ohne zu zögern Tessa an. Sie würde ihr alles über Ruby erzählen. Außerdem würde sie sich nicht in Tessas Liebesleben einmischen, auch wenn es bedeuten sollte, dass sie ihre Gefühle für Tristan verleugnen musste. Das würde ungeheuer schwer, aber es war ja nicht Tessas Schuld. Tristan hatte sich in sie verliebt, und Sophie würde nicht verhindern, dass er eine andere glücklich machte, nur weil sie ihm nicht verzeihen konnte. Sie hatte ihre Lektion gelernt: Freundschaften sind wichtiger als Liebschaften. Sie wollte nicht über den Mann die Freundin verlieren.
»Tessa? Ich bin’s Sophie, die Verrückte aus der Buchhandlung. Hör mal, vermutlich lässt du mich jetzt einsperren, aber ich brauche dringend eine Freundin. Ich möchte dir gerne von meiner Tochte Ruby erzählen. Hast du Zeit für einen Schwatz?«
Tessas Stimme schlug sofort freundschaftlich einen Zeitpunkt vor. Sophie seufzte vor Erleichterung und Freude laut auf.
Kapitel 7
»Bin gleich da!«, rief Tessa über das Geländer des gewundenen kleinen Treppchens hinweg in ihrem Cottage nach unten.
»Die Filmcrew wartet schon!«, rief JB unnötig laut von unten herauf.
Blöder Affe , dachte Tessa gereizt und griff nach einem Paar meterhoher Skyscraper-Sandalen von Gina. Die Zusammenarbeit mit JB war ziemlich unberechenbar, um es mal milde auszudrücken. Entweder sprang er höchst begeistert herum, oder er gab sich mürrisch und gereizt. Tessa hatte keine Ahnung, was in ihm vorging, und fragte sich unablässig, was er bei diesem Job überhaupt zu suchen hatte.
Als sie im Spiegel ihr Aussehen überprüfte, vergaß sie JB. Die rosa Gina-Sandalen waren nicht gerade praktisch, und sie war auch nicht sicher, ob sie zu dem beigen Kostüm von Joseph passten, aber sie waren fantastisch! Ihr Selbstbewusstsein brauchte heute nämlich Auftrieb. Sie und JB würden sich mit Rufus und Clemmie im Schlösschen treffen. Clemmie wurde endlich der Familie vorgestellt und hatte sich einverstanden erklärt, dabei und bei der Besprechung der Hochzeitspläne gefilmt zu werden. Will hatte Gil noch ein paar weitere Wochen zugestanden, damit der Großteil der Renovierung erledigt wäre. Tessa verstand das,
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