Denen man nicht vergibt
bist ja verwundet! Verflucht noch mal, Dane Carver, wie konntest du?!«
Er hörte, wie ihre Stimme zitterte, wie sie umzukippen drohte. Um sie zu beruhigen, sagte er so gelassen wie möglich: »Mir geht’s gut. Ein glatter Durchschuss, eine Fleischwunde, nichts gebrochen. Hab mich beim Rasieren schon mal schlimmer verletzt. Auf jeden Fall kaum schlimmer als dein Streifschuss von Milton. Beruhige dich, Nick. Uns ist nichts passiert, wir leben noch, und das ist das Wichtigste.«
»Der Mistkerl hat noch gewinkt. Hast du das gesehen? Der hat uns tatsächlich mit der Pistole zugewinkt!«
»Ja, hab’s gesehen. Der hat Nerven. Wieso hast du’s gesehen? Ich hab dir doch gesagt, du sollst unten bleiben.«
»Am Ende hab ich rausgeschaut und das gerade noch mitbekommen. Dieser Scheißkerl.« Sie begann, heftig zu zittern. Er schlüpfte aus seiner blutigen Jacke, wickelte sie darin ein und zog sie an sich. »Ist ja gut. Du musst jetzt tief durchatmen. Ja, genau so. Schön langsam und tief. Bo und Lou werden in einer Minute da sein.«
»Und wir dachten, das wäre ein stinklangweiliger Job«, sagte Lou lakonisch, als sie angetrottet kamen. »Tut mir echt Leid, Leute. Wir haben uns zu weit zurückfallen lassen. Wird nicht wieder Vorkommen.« Er begutachtete die zerschmetterten Scheiben, schlug die Fahrertür zu und bedeutete den sechs, sieben Passanten, die neugierig herankamen, weiterzugehen.
»Hier gibt’s nichts zu sehen, Leute. Weitergehen, bitte weitergehen. He, woher kommt all das Blut? Herrgott, Dane, Sie sind ja verletzt.«
Bo sagte schwer atmend: »Der Kerl hat Ihnen ’nen Streifschuss verpasst, Agent Carver. Also gut, wir bringen Sie am besten gleich ins Elmwood Hospital, das ist am nächsten, und dort haben sie eine gute Notaufnahme. Hatte Lou erst letzten Monat dort abgeliefert.«
Dane fragte: »Was war denn los mit ihm?«
»Hab ein paar Tage lang zu viel Fett gegessen und prompt ’ne Gallenkolik gekriegt«, erklärte Lou. Er bewegte Danes Hand und drückte seinen Handballen fest auf die Wunde. Nach ein paar Minuten band er Danes Oberarm mit seinem Taschentuch ab. Dane musste an das Hähnchenteil im Kentucky Fried denken, das er gerade verspeist hatte, und hoffte inständig, dass er nie eine Gallenkolik bekäme.
»So, das hätten wir«, sagte Lou, »das sollte die Blutung vorerst stoppen. Aber vergessen Sie nicht, mir das Taschentuch wiederzugeben. Hab’s erst vor drei Tagen von meiner Frau zum Geburtstag geschenkt bekommen. Echtes Leinen, und sie hat meine Initialen draufgestickt. Wenn ich’s verliere, zieht sie mir das Fell über die Ohren.«
»Ich werd’s nicht verlieren, Lou«, versicherte Dane, »aber es wird Blutflecken haben.«
»Ach, an Blut ist meine Frau gewöhnt. Das macht nichts.«
»Ich werde gut darauf Acht geben«, sagte Nick, die gerade dabei war, Dane die Scherben aus den Haaren zu zupfen. Sie sagte zu ihm: »Da sind ein paar kleine Schnitte vom Glas, aber nicht weiter schlimm. Halt still. Bo, wenn Sie sich um unseren Mietwagen kümmern würden, dann könnte Lou uns zum Krankenhaus fahren, was meinen Sie?«
Bo betrachtete Dane, um seinen Zustand einzuschätzen, nickte dann und salutierte. »Sieh zu, dass du ’nen anderen Doc für ihn auftreibst, Lou«, wies er seinen Partner an. Er lockerte das Taschentuch ein wenig und fügte hinzu: »Der Typ wollte Lou sofort aufschneiden.«
»Hab mich geweigert«, warf Lou ein. »Mir ging’s eh schon wieder besser. Bin so schnell wie möglich wieder abgehauen. Also, Ihre Jacke können Sie vergessen, Dane. He, Nick, geht’s?«
»Ja, es geht schon«, meinte sie.
Lou musterte sie sorgfältig und schien zufrieden. »Also gut, dann fahren wir jetzt. Bo hat bereits in der Zentrale angerufen. Er wird hier alles absichern, bis die anderen kommen. Dane, ich nehme nicht an, dass Sie den Schützen gesehen haben? Oder das Nummernschild vielleicht?«
Dane schüttelte den Kopf. »Der war nicht im Auto, der hatte eine Harley. Aber ich hab nicht mal die Pistole richtig sehen können. War zu sehr damit beschäftigt, aufzupassen, dass ich keine Kugel in den Kopf kriege. Nick, bluten deine Hände noch?«
»Nein, fast gar nicht mehr«, meinte sie. »Es geht schon. Und jetzt sei still, du musst ins Krankenhaus.«
Sie hatte sich wieder gefangen, obwohl ihr Schock groß war. Er war stolz auf sie.
Spezialagent Lou Cutter fuhr keine zehn Minuten später mit quietschenden Reifen vor dem Elmwood Community Hospital vor. Er war mit heulender Sirene gefahren, und
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