Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Titel: Denken hilft zwar, nutzt aber nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Ariely
Vom Netzwerk:
Fernseher zu sitzen. Und die Diät? Ich nehme jetzt noch ein Stück von dem Schokoladenkuchen, und morgen beginne ich ernsthaft mit der Diät. Unsere langfristigen Ziele der unmittelbaren Befriedigung zu opfern, das, liebe Freunde, ist Auf-die-lange-Bank-Schieben.
    Als Universitätsprofessor kenne ich das Problem nur allzu gut. Zu Beginn jedes Semesters fassen meine Studenten heroische Vorsätze – dass sie die ihnen aufgegebene Literatur rechtzeitig lesen, ihre Arbeiten rechtzeitig abgeben und überhaupt alles im Griff behalten werden. Und jedes Semester erlebe ich, wie sie der Versuchung nicht widerstehen können, zu einem Rendezvous zu gehen, zu einem Treffen der Studentenvereinigungoder zum Skifahren in die Berge – während sie mit ihrem Arbeitspensum immer mehr hinterherhinken. Und am Ende gelingt es ihnen immer wieder, mich zu beeindrucken – nicht mit dem Einhalten von Terminen, sondern mit ihrer Kreativität beim Erfinden von Geschichten, Ausreden und Familientragödien als Erklärung für ihre Säumigkeit. (Warum ereignen sich Familientragödien immer in den letzten beiden Wochen des Semesters?)
    Nachdem ich einige Jahre am MIT unterrichtet hatte, beschlossen mein Kollege Klaus Wertenbroch (Professor am Institut Européen d’Administration des Affaires, einer Wirtschaftshochschule in Paris) und ich, ein paar Untersuchungen auszuarbeiten, um dem Problem auf den Grund zu gehen und vielleicht eine Lösung für diese so häufige menschliche Schwäche zu finden. Versuchskaninchen würden dieses Mal die geschätzten Studenten in meinem Kurs über Verbraucherverhalten sein.
    Während sich die Studenten an jenem ersten Vormittag auf ihren Stühlen niederließen, voller Erwartung (und zweifellos mit dem Vorsatz, den Überblick über ihre Aufgaben zu behalten), stellte ich ihnen meinen Seminarplan vor, und sie hörten aufmerksam zu. Im Lauf der zwölf Wochen, die das Semester dauerte, würden sie drei große Seminararbeiten schreiben müssen, erklärte ich, die zusammen einen Großteil ihrer Schlussnote ausmachten.
    »Und wie sind die Abgabetermine?«, fragte einer von hinten. Ich lächelte. »Sie können Ihre Arbeiten jederzeit vor Semesterende abgeben«, antwortete ich. »Das liegt ganz bei Ihnen.« Die Studenten schauten mich verdutzt an.
    »Ich mache Ihnen folgenden Vorschlag«, sagte ich. »Ende dieser Woche müssen Sie sich auf einen Abgabetermin für jede Arbeit festlegen. Danach kann dieser Termin nicht mehr geändertwerden.« Bei verspätet eingereichten Arbeiten würde als Strafe für jeden Tag Verspätung ein Prozent von der Punktzahl abgezogen, erklärte ich. Natürlich könnten sie ihre Arbeiten jederzeit vor dem vereinbarten Termin abgeben, aber dadurch ergebe sich kein Vorteil bei der Benotung, weil ich alle Arbeiten erst zum Semesterende lesen würde.
    Mit anderen Worten, jetzt waren meine Studenten am Ball. Würden sie die notwendige Selbstdisziplin aufbringen, mitzuspielen?
    »Aber Professor Ariely«, meldete sich Gurev, ein gewitzter Master-Student mit einem charmanten indischen Akzent, »wäre es angesichts dieser Bedingungen für uns nicht am günstigsten, wenn wir den spätest möglichen Termin wählen?«
    »Das können Sie natürlich tun«, antwortete ich. »Wenn Sie es sinnvoll finden, unbedingt.«
    Was hätten Sie persönlich unter diesen Bedingungen getan?
     
    Ich verspreche, die Arbeit 1 in Woche … abzugeben.
    Ich verspreche, die Arbeit 2 in Woche … abzugeben.
    Ich verspreche, die Arbeit 3 in Woche … abzugeben.
     
    Für welche Abgabetermine entschieden sich die Studenten? Ein absolut rational handelnder Student würde Gurevs Rat befolgen und alle Termine auf den letzten Kurstag legen – schließlich konnte man seine Arbeiten jederzeit früher abgeben, ohne bestraft zu werden. Warum also etwas riskieren und sich ohne Not auf einen früheren Abgabetermin festlegen? Die Abgabe bis zum Ende des Kurses hinauszuschieben war eindeutig die beste Entscheidung, wenn die Studenten absolut rational handeln würden. Aber was, wenn die Studenten nicht der Vernunft folgen? Wenn sie Versuchungen erliegenund zum Aufschieben neigen? Und was, wenn sie sich dieser ihrer Schwäche bewusst sind? Wenn die Studenten nicht rational handeln und es wissen, dann könnten sie sich mit Hilfe der Abgabetermine zu einem vernünftigeren Verhalten zwingen. Sie könnten sich auf frühe Termine festlegen und sich dadurch zwingen, früher mit ihren Arbeiten zu beginnen.
    Was taten meine Studenten? Sie machten sich

Weitere Kostenlose Bücher