Denken hilft zwar, nutzt aber nichts
eher auf einen umfassenderen Trend hinwiesen, sagten sie mit überwältigender Mehrheit, es sei ein weitverbreitetes Problem. 18
Am schlimmsten sind offenbar die Anwälte in Florida. 19 Im Jahr 2003 berichtete die Anwaltskammer von Florida, eine »bedeutende Minderheit« der Anwälte sei »raffgierig, zu clever, gerissen, raffiniert und nicht vertrauenswürdig; habe kaum Interesse an Wahrheit oder Gerechtigkeit; sei bereit, Dinge verzerrt darzustellen, zu manipulieren und Informationen vorzuenthalten, um den Prozess zu gewinnen; arrogant, herablassend und unverschämt«. Und außerdem »aufgeblasen und anstoßerregend«. Muss ich noch mehr sagen?
Auch die Mediziner müssen sich Kritik gefallen lassen. Man hört von Ärzten, die unnötige Operationen und andere Behandlungen durchführen, nur um ihr Konto aufzufüllen; die Tests bei Labors machen lassen, die ihnen Provisionen zukommen lassen; und die bevorzugt bestimmte Untersuchungen empfehlen, weil sie zufällig die Apparate dafür haben. Und wie steht es mit dem Einfluss der Pharmaindustrie? Ein Freund erzählte mir, er habe letztens beim Arzt eine geschlagene Stunde warten müssen. In dieser Zeit seien vier Pharmareferenten ins Sprechzimmer spaziert.
Wenn man näher hinsieht, entdeckt man bei nahezu jeder Berufsgruppe ähnliche Probleme. Nehmen wir einmal die Ölgeologen. In meiner Vorstellung sind das Indiana-Jones-Typen, die sich weit mehr für Juraschiefer und Deltasedimente interessieren als dafür, Geld zu machen. Aber man braucht nur ein wenig genauer hinzusehen, schon stößt man auf Probleme. »Es gibt unethisches Verhalten in weit größerem Maß, als die meisten von uns wahrhaben möchten«, schrieb ein Mitglied des Berufsverbandes an seine Kollegen. 20
Welche Art Unehrlichkeit, um Himmels willen, kann denn unter Ölgeologen grassieren, fragen Sie. Offenbar Dinge wie die Verwendung illegal beschaffter seismischer und digitaler Daten; der Diebstahl von Landkarten und Materialien; und die übertrieben positive Darstellung eventueller Ölvorkommen in Fällen, wo ein Landverkauf oder Investitionen anstehen. »Es sind eher Gesetzwidrigkeiten im Graubereich als handfeste Straftaten«, kommentierte ein Ölgeologe.
Doch es sind nicht allein die Ölgeologen, das sollten wir nicht vergessen. Wohin man blickt, fällt einem diese Erosion des Professionalismus ins Auge. Wenn Ihnen die Beweise noch nicht genügen, brauchen Sie nur an die Debatte unter den Berufsethikern selbst zu denken, die häufiger als je zuvor – von der einen oder anderen Partei engagiert – als Sachverständige bei öffentlichen Anhörungen und Prozessen hinzugezogen werden, wenn es um eine bestimmte medizinische Behandlung oder die Rechte des ungeborenen Lebens geht. Sind sie geneigt, der Versuchung nachzugeben? Offenbar ja. »Ethischer Sachverstand: Die Berufsethiker haben ein Problem mit ihrem Berufsethos«, so der Titel eines Artikels in einem Fachblatt. 21 Wie ich schon sagte, wohin man blickt, fallen einem Zeichen ethischen Schwunds ins Auge.
Was tun? Nehmen wir einmal an, wir würden uns nicht auf die Zehn Gebote berufen, sondern es uns zur Regel machen, unseren Namen unter irgendeine säkulare Erklärung zu setzen – ähnlich einem Berufseid –, die uns an unsere Verpflichtung zur Ehrlichkeit gemahnt. Würde ein schlichter Eid etwas ändern, wie wir es bei den Zehn Geboten erlebt haben? Dieser Frage galt unser nächstes Experiment.
Wieder einmal stellten wir verschiedene Versuchsgruppen zusammen, dieses Mal am MIT. Die Teilnehmer der erstenGruppe machten unseren Mathematiktest und übergaben ihre Antwortblätter dem Versuchsleiter vorne (der zählte, wie viele Fragen sie korrekt beantwortet hatten, und sie entsprechend bezahlte). Die zweite Gruppe machte den Test ebenfalls, behielt ihre Antwortblätter jedoch danach gefaltet bei sich und teilte dem Versuchsleiter lediglich mit, wie viele Aufgaben sie gelöst hatten. Dieser bezahlte sie entsprechend, und die Teilnehmer verließen den Raum.
Der neue Aspekt unseres Experiments kam bei der dritten Gruppe zum Tragen. Ehe diese Probanden sich an den Test machten, wurden sie gebeten, folgende Erklärung auf dem Antwortblatt zu unterschreiben: »Mir ist bekannt, dass diese Studie unter den Ehrenkodex des MIT fällt.« Nachdem sie diese Erklärung unterzeichnet hatten, begannen sie mit den Aufgaben. Nach Ablauf der zur Verfügung stehenden Zeit steckten sie ihre Antwortblätter in die Tasche, gingen zum Versuchsleiter vor, sagten
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