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Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Titel: Denken hilft zwar, nutzt aber nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Ariely
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ihm, wie viele Aufgaben sie richtig gelöst hatten, und wurden entsprechend bezahlt.
    Wie sah das Ergebnis aus? Die Probanden der Kontrollgruppe, bei der ein Betrug nicht möglich war, lösten durchschnittlich drei Aufgaben. Die zweite Gruppe, in der die Teilnehmer ihre Antwortblätter einstecken konnten, löste im Durchschnitt 5,5 Aufgaben. Bemerkenswert war das Ergebnis bei der dritten Gruppe, in der die Probanden ihre Antwortblätter zwar einsteckten, aber auch die Ehrenerklärung unterschrieben hatten. Hier wurden durchschnittlich drei Aufgaben gelöst – exakt so viele wie bei unserer Kontrollgruppe. Ein fast identisches Resultat erzielten wir mit den Zehn Geboten. Dass die Unterzeichnung einer derartigen Erklärung eine solche Wirkung hat, ist erstaunlich, insbesondere wenn man in Betracht zieht, dass es am MIT gar keinen Ehrenkodex gibt.
    Wir haben also gelernt, dass Studenten betrügen, wenn sie Gelegenheit dazu bekommen, dass sie aber nicht in dem Maß betrügen, wie sie es könnten. Und dass sie überdies, wenn sie sich auf Ehrlichkeit besinnen – ob durch die Zehn Gebote oder ihre Unterschrift unter eine schlichte Erklärung –, überhaupt nicht betrügen. Mit anderen Worten, wenn wir keinerlei ethische Orientierung haben, geraten wir leicht auf Abwege, rutschen wir in die Unehrlichkeit. Werden wir im Augenblick der Versuchung aber an ethisch einwandfreies Verhalten erinnert, ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir ehrlich bleiben, wesentlich größer.
    Gegenwärtig bemühen sich mehrere Anwaltskammern und Berufsverbände darum, die ethischen Grundsätze ihrer jeweiligen Berufe zu festigen. Manche bieten verstärkt Kurse zu diesem Thema an Colleges und Fakultäten an, andere verlangen von ihren Mitgliedern die Teilnahme an Ethik-Auffrischungskursen. Für die Sparte der Juristen veröffentlichte Richter Dennis M. Sweeney aus dem Gerichtsbezirk Howard County (Maryland) ein Buch mit dem Titel
Guidelines for Law yer Courtroom Conduct
(Richtlinien für das Verhalten des Anwalts im Gerichtssaal), in dem er feststellte: »Die meisten Regeln sind wie die hier vorgelegten schlicht das, was unsere Mütter von einem höflichen, guterzogenen Menschen erwarten würden. Da unsere Mütter angesichts ihrer vielfältigen und wichtigen anderen Verpflichtungen nicht in jedem Gerichtssaal dieses Bundesstaates anwesend sein können, habe ich diese Regeln formuliert.«
    Ob solche allgemeinen Maßnahmen funktionieren werden? Erinnern wir uns: Anwälte legen einen Eid ab, wenn sie zugelassen werden, und ebenso Ärzte, bevor sie ihren Beruf ausüben dürfen. Aber irgendwann einen Eid abzulegen, irgendwann zu erklären, dass man sich an bestimmte Regelnhalten wird, reicht nicht aus. Aus unseren Experimenten geht eindeutig hervor, dass man Eide und Regeln im oder kurz vor dem Augenblick der Versuchung präsent haben muss. Und obendrein arbeitet die Zeit gegen uns, wenn wir versuchen, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Wie ich schon im Kapitel vier schrieb: Wenn die sozialen Normen mit den Marktnormen kollidieren, werden die sozialen Normen verdrängt, und die Marktnormen setzen sich durch. Auch wenn keine hundertprozentige Analogie besteht, so gilt in Sachen Ehrlichkeit ebenfalls: Sind die ethischen Verhaltensregeln im Beruf (die sozialen Normen) einmal in Vergessenheit geraten, ist es nicht einfach, sie wieder zu etablieren.
     
    Das bedeutet aber nicht, dass wir es nicht versuchen sollten. Warum ist Ehrlichkeit so wichtig? Nun, zum einen dürfen wir nicht vergessen, dass die Vereinigten Staaten ihre heutige wirtschaftliche Vormachtstellung in der Welt nicht zuletzt dem Umstand verdanken, dass sie, was die Normen verantwortungsvoller Unternehmensführung betrifft, eines der ehrlichsten Länder der Welt sind (oder zumindest als solches wahrgenommen werden).
    Einer Studie zufolge belegten die USA im Jahr 2006, was Integrität und Redlichkeit betrifft, im Weltvergleich den 20. Platz (auf dem ersten Platz lag Finnland, auf dem 163. und damit letzten Platz Haiti). Aufgrund dessen würde ich annehmen, dass sich Unternehmen, die geschäftliche Verbindungen zu Firmen in den USA unterhalten, von ihren amerikanischen Partnern im Allgemeinen anständig behandelt fühlen. Tatsache aber ist, dass die USA im Jahr 2000, bevor die Welle der Firmenskandale die Wirtschaftsseiten amerikanischer Zeitungen wie Polizeiregister aussehen ließ, noch auf Platz 14 lagen. 22 Mit anderen Worten: Wir befinden uns auf einemgefährlichen Weg abwärts statt

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