Denken hilft zwar, nutzt aber nichts
in Richtung Gipfel, und das kann langfristig enorme Kosten nach sich ziehen.
Adam Smith erinnerte uns daran, dass das Sprichwort »Ehrlich währt am längsten« wirklich zutrifft, vor allem in geschäftlichen Dingen. Um eine Ahnung von der anderen Seite dieser Erkenntnis zu bekommen – von der Schattenseite, in einer Gesellschaft ohne Vertrauen –, braucht man nur einen Blick auf verschiedene Länder zu werfen. In China gilt das Wort eines Menschen in einer bestimmten Region selten etwas in einer anderen Region. In Lateinamerika wimmelt es von Familienkartellen, die Verwandten Darlehen geben (und dann den Kredit nicht sperren, wenn der Schuldner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt). Ein weiteres Beispiel für ein von Misstrauen geprägtes Land ist der Iran. Ein iranischer Student am MIT erzählte mir einmal, dass der Wirtschaft dort eine Vertrauensbasis fehle. Deshalb bezahle niemand im Voraus, vergebe niemand Kredite, und niemand sei bereit, ein Risiko einzugehen. Die Menschen müssen sich innerhalb ihrer Familien verdingen, wo es noch ein gewisses Maß an Vertrauen gibt. Möchten Sie in einer solchen Welt leben? Wenn wir nicht aufpassen, könnte sie auch bei uns schneller Wirklichkeit werden, als wir uns vorstellen.
Was können wir tun, damit die Menschen ehrlich bleiben? Vielleicht können wir die Bibel lesen, den Koran oder was immer unsere Werte widerspiegelt. Wir können alten beruflichen Wertnormen neues Leben einhauchen. Wir können unseren Namen unter Erklärungen setzen, in denen wir integres Handeln versprechen. Eine weitere Möglichkeit ist, uns erst einmal einzugestehen, dass wir in Situationen, in denen unser persönlicher finanzieller Vorteil im Gegensatz zu unseren ethischen Normen steht, durchaus fähig sind, uns die Realität »zurechtzubiegen«, die Welt so zu sehen, dass sie mitunserem eigennützigen Interesse vereinbar ist, und dann unehrlich werden. Was also ist die Lösung? Wenn wir uns diese Schwäche eingestehen, können wir versuchen, solche Situationen von vornherein zu vermeiden. Wir können Ärzten untersagen, Untersuchungen allein ihres finanziellen Profits wegen anzuordnen; wir können Wirtschafts- und Rechnungsprüfern verbieten, für die von ihnen geprüften Firmen als Berater tätig zu werden; wir können Abgeordnete daran hindern, selbst ihre Vergütungen festzulegen, und so weiter.
Doch damit sind wir mit dem Problem der Unehrlichkeit noch nicht am Ende. Im folgenden Kapitel möchte ich weitere Gedanken und Erkenntnisse zum Thema Unehrlichkeit darlegen.
Anhang
Die Zehn Gebote
Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.
Du sollst den Feiertag heiligen.
Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.
Du sollst nicht töten.
Du sollst nicht ehebrechen.
Du sollst nicht stehlen.
Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib.
ZWÖLF
Moral und Unredlichkeit, Teil II
Warum uns der Umgang mit Geld ehrlicher macht
In vielen Studentenheimen des MIT gibt es einen Gemeinschaftsbereich mit mehreren Kühlschränken, die von den Bewohnern der umliegenden Zimmer benutzt werden können. Einmal ging ich um elf Uhr vormittags, als die meisten Studenten in den Vorlesungen saßen, in die Gebäude und begab mich auf die Suche nach diesen gemeinsamen Kühlgeräten.
Sobald ich so einen Gemeinschaftskühlschrank entdeckte, schlich ich mich vorsichtig hin, sah mich um, öffnete die Tür und stellte eine Sechserpackung Cola hinein. Dann zog ich schnell wieder von dannen. Sobald ich mich in sicherer Entfernung befand, blieb ich stehen und notierte mir die Zeit und den Standort des Kühlschranks.
In den folgenden Tagen kehrte ich zurück, um erneut in die Kühlschränke zu sehen, und führte ein Tagebuch über die Zahl der jeweils noch in den Kühlschränken verbliebenen Cola-Dosen. Wie Sie wahrscheinlich schon vermutet haben, ist die Halbwertszeit von Coca-Cola in einem Studentenwohnheim relativ gering. Innerhalb von 72 Stunden waren alle Dosen verschwunden. In einigen Kühlschränken hatte ich außerdem einen Teller mit sechs Dollarscheinen hinterlassen. Würde das Geld schneller Abnehmer finden als die Cola?
Bevor ich diese Frage beantworte, möchte ich Sie etwas fragen. Angenommen, Ihr Mann beziehungsweise Ihre Frau ruft Sie in der Arbeit an. Ihre Tochter braucht am
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