Denken Sie nicht an einen blauen Elefanten!
später in die USA übergesiedelten Mathematiker John von Neumann, der zusammen mit dem Ökonomen Oskar Morgenstern mit seiner
«Theory of Games and Economic Behaviour» |68| Mitte des vergangenen Jahrhunderts den Grundstein für kommende Forschergenerationen, die den Prozess der Entscheidungsfindung
näher untersuchten, legte. In mit einem Rollenspiel vergleichbaren Situationen hängt die Entscheidung des einen von anderen
Personen ab.
Die prominenteste Variante dieser Forschungsansätze ist das Gefangenendilemma (vgl. auch S. 102 ff.). In dieser Testsituation werden zwei Personen, von denen eine ein Verbrechen begangen hat, man aber nicht weiß, wer,
getrennt voneinander immer wieder verhört. Die einzigen Möglichkeiten, die den Angeschuldigten bleiben, sind, zu schweigen,
den anderen oder letztendlich sich selbst zu belasten. Wer der Tat überführt wird, dem droht ein Freiheitsentzug von fünf
Jahren, dem anderen, also dem Verräter, wird die verlockende Freilassung in Aussicht gestellt. Belastet sich jemand selbst,
beträgt die Gefängnisstrafe vier Jahre. Wenn beide schweigen, kann das immerhin noch zu zwei Jahren Gefängnis führen. Auf
dieser Grundlage müssen sich die Verhörten, ohne sich mit ihrem Komplizen absprechen zu können, entscheiden. Zahllose Wiederholungen
belegen, dass sich die Variante der Selbstbelastung als die häufigste erwiesen hat. Das Risiko zu schweigen, in der Hoffnung,
dass einem es der Komplize gleichtut, um nur die Mindeststrafe zu erzielen, geht man nicht ein. Das Misstrauen, dass der andere
einen verrät, ist zu hoch und das Maximum an Bestrafung die logische Konsequenz. Allerdings schlugen es die Testpersonen auch
aus, den anderen zu beschuldigen, obwohl sie selbst ungestraft davongekommen wären.
Die meisten entschieden sich also dafür, ein Geständnis abzulegen, das Risiko des fünften Jahres Freiheitsentzugs somit zu
umgehen und in der Gunst ihres Komplizen nicht zu sinken, was der Konfrontationskurs zweifelsohne bewirkt hätte. Nicht nur
der eigene Nutzen stand im Vordergrund, sondern auch die eventuell entstehenden Kosten wurden in Betracht gezogen |69| und beide Aspekte miteinander verglichen. Das am häufigsten erzielte Ergebnis war also eine Mischung aus Selbstlosigkeit,
ökologischen Gesichtspunkten und Eigennutz.
i Ich weiß, was du willst
Mittels ihrer Aufzeichnungen erarbeiteten Berns und Montague das sogenannte Predictor-Valuation-Modell, das die Reaktionen
des neuronalen Netzwerks auf verschiedene Situationen vorhersagen konnte. Dieses wurde zunächst auf Rhesusaffen angewandt.
Die getesteten Affen wurden für unterschiedliche Dienste mit Obst belohnt, das sie frei wählen konnten. Das Ergebnis jedoch
war enttäuschend: Zwar schaffte man es, die neuronalen Abläufe vorherzusagen, die den Affen dazu führten, sich ein Stück davon
auszusuchen. Doch war es den Wissenschaftlern nicht möglich zu ermitteln, für welches Obst sich das Tier entscheiden würde.
Eine mathematische Formel für unser Denken – sie wird eine Utopie bleiben.
i Der Stoff, aus dem die Gedanken sind
Auch mit dem Einwirken auf den Neurotransmitterhaushalt lässt sich die menschliche Entscheidungsgewalt manipulieren. Robert
Rogers vom Centre for Clinical Magnetic Resonance Research an der Universität Oxford verabreichte Probanden unterschiedliche
Wirkstoffe, die sich, wie sich herausstellen sollte, auf deren Entscheidungsfreiheit niederschlugen. Eine Gruppe bekam 80 Milligramm eines herkömmlichen Betablockers namens Propanolol eingeflößt, die andere ein aminosäurehaltiges Getränk. Der ersten
Gruppe fiel es anschließend wesentlich schwerer, zwischen kleinen und großen Verlusten zu entscheiden. Der Betablocker hatte
die Wirkung des stressabbauenden Neurotransmitters Noradrenalin verhindert. Der zweiten Gruppe wurde durch die Einnahme des
Getränks Tryptophan entzogen. Dabei handelt es sich um einen Vorläufer von Serotonin, einen Stoff, der ebenfalls für den Emotionshaushalt |70| zuständig ist und dessen Fehlen Depressionen hervorrufen kann. Die zweite Gruppe sah keinen Unterschied mehr zwischen großen
und kleinen Belohnungen. Die Beurteilung der Kosten, so Rogers schlussfolgernd, hänge also mit Noradrenalin und die Beurteilung
des Gewinns mit Serotonin zusammen. Entzieht man nun dem Körper den einen oder anderen Stoff, lässt sich die Entscheidungsfindung
mitunter sehr stark indoktrinieren. Eine wichtige
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