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Denken Sie nicht an einen blauen Elefanten!

Titel: Denken Sie nicht an einen blauen Elefanten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Havener
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ihnen und mit |103| dem Rest der Welt unmöglich. Beide Fähren sind Passagierschiffe: eines transportiert Schwerverbrecher, das andere sonstige
     Passagiere. Der Bösewicht hat auf beiden Fähren Sprengstoff in sehr großen Mengen deponiert. Er kann diesen nach Belieben
     zünden. Weiterhin haben die Kapitäne jedes Schiffs einen Sender, mit dem sie den Sprengstoff der anderen Fähre detonieren
     lassen können.
    Hier die Bedingungen des bösen Jokers: Wenn jemand versucht, sein Boot zu verlassen, so zündet er beide Bomben, und alle sterben.
     Das Boot, das als Erstes den Knopf drückt, tötet zwar alle Menschen auf der anderen Fähre, dafür dürfen aber dessen Passagiere
     am Leben bleiben. Falls die Insassen beider Boote nicht innerhalb einer Frist eine Entscheidung getroffen hätten, sprenge
     der Joker beide Boote in die Luft, und alle stürben.
    Das dürfte eines der grausamsten Szenarien sein, die man sich vorstellen kann. Es geht auch hier wie bereits an anderen Stellen
     des Buchs um Entscheidungen: Opfere ich einen anderen, um mich selbst zu retten? Beeinflusst die Tatsache letztlich meine
     Entscheidung, dass es sich bei den anderen um Schwerverbrecher handelt? Was denken denn diese? Bezeichnenderweise gibt der
     Joker diesem «Spiel» den Namen «Social Experiment».
    Diese großartige Filmszene geht auf die Prinzipien der Spieltheorie zurück . Sie ist ein Teilgebiet der Mathematik. Dazu werden
     sogenannte Systeme – in diesem Fall ist das Szenario mit der Fähre ein System – mit mehreren Akteuren, sprich Fahrgästen,
     analysiert. Es geht darum, das Entscheidungsverhalten in Konfliktsituationen zu analysieren und abzuleiten. Der Teil, auf
     den sich diese Szene bezieht, heißt in der Spieltheorie «Gefangenendilemma», das Sie bereits in Kapitel 1 (S.   67   ff., «Spieltheorie oder Gefangenendilemma?») kennengelernt haben.
    Kurz zur Erinnerung: «Ein Staatsanwalt hält zwei Angeklagte in Untersuchungshaft. Beide stehen im Verdacht, an einem |104| Raub beteiligt zu sein. Die Tat ist vom Staatsanwalt aber nicht zu beweisen, dazu reichen die vorliegenden Indizien nicht
     aus. Jetzt wendet sich der kluge Anwalt an beide Verdächtige. Er erklärt ihnen, dass er für eine Anklage ein Geständnis benötige.
     Weiterhin erläutert der Staatsanwalt, dass er die Angeklagten nur wegen illegalen Waffenbesitzes anklagen könne, falls beide
     den Raubüberfall leugneten. In diesem Fall würden sie schlimmstenfalls zu je sechs Monaten Gefängnis verurteilt werden. Geständen
     beide die Tat, so würde der Anwalt dafür sorgen, dass sie nur das Mindeststrafmaß absitzen müssten. Das würde je zwei Jahre
     Gefängnis bedeuten.
    Falls nur einer die Tat gestände, der andere aber weiterhin die Tat leugnete, so würde der Geständige als Kronzeuge behandelt
     und ginge ohne Strafe nach Hause, wogegen der andere – gar nicht geständige – das höchste Strafmaß erhielte: 20   Jahre Haft. Jetzt schickt der Anwalt beide wieder in ihre Zellen und macht so jede Form der Kommunikation zwischen den beiden
     unmöglich.» Kniffelige Sache, oder? Versetzen Sie sich mal in diese Situation – dazu müssen Sie natürlich nicht gleich eine
     Straftat begehen. Sie können sicher sein: Die Gedanken der beiden Inhaftierten kreisen wie wild herum. Wo liegt die Lösung?
     Rational betrachtet ist die Antwort klar: Ein halbes Jahr Gefängnis wäre besser als zwei und in jedem Fall besser als 20.   Für beide Angeklagten wäre es also sinnvoll, die Tat zu leugnen. So weit die eine Seite. Aber stellen Sie sich mal vor, was
     in den Köpfen der beiden passiert, wenn sie allein und ohne Möglichkeit, miteinander zu reden, in ihrer Zelle sitzen. Sie
     wissen natürlich, dass es für beide am geschicktesten wäre, über die Tat zu schweigen. Was aber, wenn der jeweils andere nicht
     schwiege   … Schließlich ginge er dann ohne Strafe nach Hause. Aus der Sicht beider Gefangenen scheint es also für kurze Zeit am besten
     zu sein zu gestehen. «Falls ich die Tat bekenne, der andere aber nicht, bin ich vielleicht derjenige, der freigelassen wird»
     – so die jeweilige Denkweise der beiden.
    |105| Kurz darauf kreisen die Gedanken weiter: «Angenommen, ich gestände, dann nehme ich mir natürlich auch die Möglichkeit zur
     Lösung, die für uns beide am sinnvollsten wäre. Wenn wir nämlich beide den Mund hielten, dann wanderten wir beide nur für
     je sechs Monate ins Gefängnis. Außerdem verspiele ich das Vertrauen meines

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