Denken Sie Nicht an Einen Blauen Elefanten
nicht anders. Wörter bringen uns also in gewisse Stimmungen. Wie sehr allein unsere Sprache andere beeinflussen
kann, spüre ich jedes Mal selbst, wenn ich Menschen in Trance versetze und sie dann ihren eigenen Namen nicht mehr aussprechen
können oder gewisse Teile ihres Körpers ab diesem Moment gelähmt sind. Der Auslöser für diese Phänomene ist einzig und allein
die Wahl der richtigen Wörter und ihre entsprechende Betonung. Noch ein gutes Beispiel fällt mir dabei ein: Kürzlich sah ich
nach einem Vortrag in Hamburg einen sehr interessanten Bericht im Fernsehen. Allein durch die Wortwahl auf dem Fragebogen
– so der Bericht – hatte ein großes deutsches Dienstleistungsunternehmen unrechtmäßig Einfluss auf den Ausgang einer Befragung
genommen. Und das ging ganz einfach: Die Fragen wurden von den Meinungsforschern bewusst nicht neutral gestellt, sondern mit
Manipulation gespickt. In der Frage selbst steckte bereits eine Suggestion, |99| zum Beispiel ein Bild, das dem Befragten seine Unvoreingenommenheit nahm. Genau wie im Titel dieses Buchs.
Dazu ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie bekommen bei einem Interview folgende Frage gestellt: «Haben Sie Verständnis
für die unrechtmäßigen Streiks der Angestellten?» Die Methode ist sehr elegant: Wenn die Streiks unrechtmäßig sein sollten,
dann haben Sie höchstwahrscheinlich kein Verständnis dafür. Dementsprechend hat ein Großteil der Befragten auch das Wörtchen
«Nein» angekreuzt. Die Suggestivfrage führte also dazu, dass die Gedanken in eine gewisse Richtung gelenkt wurden, ganz im
Sinne des Auftraggebers. Hierbei handelt es sich um eine Form von perfider Manipulation, denn die entgeht vielen unaufmerksamen
Befragten. Die Gedanken sind jetzt ganz und gar nicht mehr frei. Eine neutrale Frage hätte gelautet: «Wie ist Ihre Haltung
zu den Streiks der Angestellten?» In unserem Fall haben die Demoskopen selbst die öffentliche Meinung beeinflusst! Und es
kommt noch schlimmer: Nicht nur, dass unsere Gedanken nicht frei sind, je größer die Gruppe ist, in der wir uns befinden,
desto leichter sind wir als deren Mitglieder zu beeinflussen! Bei der Beschreibung des Herdentriebphänomens bin ich bereits
kurz darauf eingegangen (vgl. S. 50 ff.).
Meine Erfahrung mit Stand-up-Comedians kann das schön verdeutlichen. Erlebte ich einen hervorragenden Künstler in einem Club
in New York, kam es vor, dass ich auch bei mäßigen Pointen laut lachte. Der ganze Saal war nämlich in der richtigen Stimmung,
und wenn sich alle ausschütten vor Lachen, dann kann ich mich dieser Atmosphäre nicht entziehen. Ich will in dem Moment auch
gar nichts anderes, schließlich bin ich ja in den Club gegangen, um mich zu amüsieren. Sehe ich mir allein zu Hause denselben
Comedian auf Video an, kann ich über dieselben Pointen oft nur müde lächeln. Ich bin in dieser Situation mutterseelenallein
und lege eine andere Haltung an den Tag. Es gibt allerdings eine Ausnahme: Wenn ich auf meinen |100| Zugreisen die amerikanische Sitcom «Seinfeld» schaue, muss ich auch allein laut loslachen. Und das, obwohl ich sämtliche Folgen
zwischenzeitlich auswendig kenne. Falls Sie das überhaupt nicht verstehen können, dann haben Sie Seinfeld sicher in der deutschen
Synchronfassung gesehen. Bei der muss ich sogar weinen, weil sie so schlecht gemacht ist. Man kann die Pointen einfach nicht
übersetzen. Der Grund: Die kulturellen Unterschiede zwischen den Zuschauern sind durch eine Synchronisierung einfach nicht
zu überwinden.
Dieses Thema der interkulturellen Übertragung faszinierte mich derart, dass ich meine Diplomarbeit der Übersetzung von Sitcoms
widmete, am Beispiel von Jerry Seinfeld. Auf einem Flug – ich war gerade auf Hochzeitsreise – hatte die Fluggesellschaft den
Fehler gemacht, nachts eine Seinfeld-Folge als Bordprogramm zu zeigen. Ich blieb gern wach, um sie mir anzuschauen. Stellen
Sie sich vor, in einem Flugzeug sitzen viele schlafende Passagiere. Inmitten der Leute sitze ich und ziehe mir eine Komödie
rein – nicht irgendeine, sondern die beste Sitcom von allen. Bei einer Pointe musste ich so laut lachen, dass nicht nur meine
frisch angetraute Ehefrau aufschreckte, sondern auch noch schlafende Fluggäste drei Reihen hinter mir. Dadurch fand ich die
Situation noch amüsanter … Meiner Ehe hat es nicht geschadet – ich war schon immer so, das war meiner Frau schon lange klar –, und von den
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