Denken Sie Nicht an Einen Blauen Elefanten
besseres Denkvermögen schließen lasse. Unsere intellektuelle Leistung bestehe häufig darin, Einzelerfahrungen
zu abstrahieren, wodurch das Denken ökonomischer werde. Es geht |119| also nicht um möglichst viel (Hirn-)Aktivität, sondern darum, so viel Denkleistung wie möglich mit so wenig nervöser Aktivität
wie nötig zu erzielen. Vielleicht wollte Einstein mit seiner Bemerkung über die zehn Prozent ja einfach nur darauf hinweisen,
dass der Mensch ein wenig häufiger seinen Grips benutzen könnte, wenn er denn nur wollte.
i Ein egoistischer Nimmersatt
Obwohl unser Gehirn nur zwei Prozent des Körpergewichts ausmacht, verbraucht es doch gut die Hälfte der täglich mit der Nahrung
aufgenommenen Kohlenhydrate. Noch im Ruhezustand fordert es ein Viertel des gesamten Energiebedarfs. Außerdem sind seine Zellen
für die Verteilung der Energie zuständig, und die verhalten sich dabei ziemlich egoistisch: Erst wenn die eigene Energiebestellung,
also die des Gehirns, gestillt ist, bekommt der restliche Körper etwas ab. Die Bio-Logik dahinter ist klar: Fällt die Schaltzentrale
aus, geraten alle anderen Körperfunktionen ebenfalls in Gefahr. Da es dem Gehirn kaum möglich ist, Energiespeicher anzulegen,
entzieht es dem Körper im Bedarfsfall daher sogar aktiv Energie, genauer gesagt Glukose. Wissenschaftler nennen das Bedarfsdeckung
«on demand»: Der Empfänger der Lieferkette fordert und setzt die Kette damit nach dem Pull-Prinzip in Gang. Forscher der Universität
London sowie des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung in Frankfurt am Main haben nun herausgefunden, dass die Hirne von
Säugetieren zwar enorm viel Energie verbrauchen, gegenüber denen von Reptilien oder Fischen aber sehr viel energieeffizienter
arbeiten. Die wissenschaftliche Vermutung geht dahin, dass sich komplexe Einheiten wie die Säugerhirne überhaupt nur entwickeln
konnten, weil sie so effizient arbeiten.
|120| i Das flexible Organ
Mittlerweile gilt als erwiesen, dass das menschliche Gehirn in allen Lebensphasen zu Zellwachstum und Bildung neuer Nervenverbindungen
fähig ist, was bedeutet, dass wir in jedem Alter neue Aufgaben erlernen können. Forscher der Universität Zürich haben in einem
groß angelegten Experiment festgestellt, dass sich das Gehirn von über 6 0-Jährigen in manchen Regionen vergrößerte, nachdem sie über drei Monate hinweg täglich das Jonglieren trainierten. Besonders der visuelle
Assoziationskortex – eine Gehirnregion, die auf die Wahrnehmung von Bewegung im Raum spezialisiert ist – sowie der Hippocampus,
in dem das Lernzentrum sitzt, aber auch der Nucleus accumbens, der zum hirneigenen Belohnungssystem gehört, zeigten signifikante
Vergrößerungen. Das Hirn – auch das des älteren Menschen – kann also tatsächlich durch Training wachsen, womit der Spruch
«Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr» endgültig ausgedient haben dürfte.
i Drei-Pfund-Universum
Obwohl die Gleichung «großes Gehirn = intelligenter Mensch» den Sachverhalt nur verzerrt wiedergibt und nicht in jedem Fall
aufgeht, korreliert die Größe der Hirnmasse sehr wohl mit ihrer Leistungsfähigkeit. So ist das menschliche Gehirn gegenüber
dem Primatenhirn eindeutig größer (im Durchschnitt 1245 bis 1345 Gramm gegenüber 420 Gramm beim Schimpansen) und, soweit wir wissen und messen können, auch leistungsfähiger. Dagegen wiegt das Gehirn eines Pottwals
volle 8,5 Kilogramm, weswegen er aber nicht zwangsläufig intelligenter ist als der Mensch, denn natürlich hängen Größe und Gewicht der
Hirnmasse auch mit dem jeweiligen Körpergewicht zusammen. So ist der Umstand, dass weibliche Menschenhirne im Durchschnitt
100 Gramm leichter sind als männliche, zu einem Teil dem unterschiedlichen Körpergewicht geschuldet. Das durchschnittliche männliche
Gehirn |121| wiegt ca. 1370 Gramm, das weibliche 1270 Gramm. Noch rätselt die Hirnforschung, ob die Männer mit diesen 100 Gramm Unterschied wirklich etwas Sinnvolles anzufangen wissen. Oder ist das alles nur erweiterte Speicherkapazität, um sich
wichtige Daten wie die Fußballbundesliga-Ergebnisse, Hubraum, PS und Zylinder merken zu können? Nein! Vermutet wird, dass
die Fähigkeiten, bei denen Männer statistisch besser abschneiden – zum Beispiel beim räumlichen Wahrnehmungs- und Vorstellungsvermögen –, mehr Platz im Gehirn einnehmen als diejenigen intellektuellen Fähigkeiten, bei denen
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