Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
Meist sind sie belanglos.
umgeben, noch hie und da und freute sich, daß sie nicht ganz verschollen sei und daß Wien eine solche weibliche Größe hervorgebracht habe. Von Zeit zu Zeit tauchte sie auch in Memoiren auf; Eduard Vehse schrieb kurz, flüchtig und falsch über sie und ihre Mutteri), und die biographischen Sammelwerke führten sie, wie so viele andere mehr oder minder bekannte historische Größen mit. Vor allem behandelte sie Konstant von Wurzbach ^) eingehender, bei dem man jedoch vergeb-lich eine kritische Würdigung sucht; er begnügte sich vielmehr damit, ihre Werke, im Anschlüsse an Schin-del^) genau zu verzeichnen, Arbeiten zur Biographie zusammenzustellen, einige Bildnisse anzuführen, ihre Handschrift zu beleuchten, vom Grabmal zu sprechen und einige Urteile der wichtigsten Literarhistoriker aus-zuheben. Auch Jakob Minor in seiner knappen Würdi-gung der deutschen Literatur in Wien und Nieder-österreich beschränkte sich darauf, ihre einstige Popu-larität und die Vielbändigkeit ihrer einzelnen Romane festzustellen*), brachte aber dagegen bibliographisch wichtiges Material bei^) .Hingegen versuchte 1888 Anton Schlossar in seiner, auf Grund der „Denkwürdig-keiten" verfaßten^ Lebensskizze^) die Bedeutung ihrer Werke klarzulegen. Er findet sie, mit Ausnahme der No-vellen, weitschweifig, doch enthalten sie viel ,,echte
^) Geschichte des östreichischen Hofs und Adels und der östreichischen Diplomatie VIII, (Hamburg 1852), S. zgi.
2) Biographisches Lexikon des österr. Kaiserthumes XXII, (Wien 1870), S. 242ff.
3) Vgl. unten II, S. 617, Anm. 583.
*) Die österreichisch-ungarische Alonarchie in Wort und Bild. Wien und Niederösterreich, I, (Wien 1886), S. I57f.
°) Zeitschrift für österreichische Gymnasien. Wien 1886, S. 578.
ß) Allgemeine Deutsche Biographie XXVI, (Leipzig 1888), S. io6ff.
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Lebensweisheit, eine zu Herzen sprechende Frömmig-keit, tiefes Sittengefühl und zarte Weiblichkeit" und manche ihrer älteren Dichtungen, so meint er, sei ein Kunstwerk von bleibendem Werte"i). , So war Karohne Pichlers fünfzigster Todestag (1893) herangekommen. Wenn sonst eine Reihe geschäftiger Federn solche Tage benützen, um rasch eine Lebens-skizze zusammenzustellen und mit mehr oder minder geistreichen, rtieist aber nichtssagenden Phrasen zu ver-brämen, so sollte Karoline Pichler auch dieser Ehre nur in geringem Maße teilhaftig werden. Zwei be-scheidene Aufsätze gedachten anläßlich dieses Tages ihrer Persönlichkeit und widmeten ihrem Wirken einige [
Worte. Es mag hervorhebenswert sein, daß A. J. Welt-ner^) in einem dieser kleinen Artikel, worin er auch die Grabinschriften von Andreas Eugen und Karoline Pich-ler der Nachwelt überlieferte, zuerst den W^unsch nach einem Ehrengrab für die Dichterin und ihren Mann zum Ausdruck brachte. Der zweite Aufsatz^), dessen • Verfassersich mit R. K.(= Richard von Kralik?) zeich-nete, folgt in seinem Bericht völlig den „Denkwürdigkei-ten" und wir fühlen uns an Ho rmayr (oben S. XXVIII) erinnert, wenn das Schlußurteil besagt: „Wie verschie-denartig auch die Urteile über ihre vielseitige literari-sche Tätigkeit lauten mögen, eines ist gewiß, sie war eine Dichterin, die an Tiefe des Gemütes, an klarem verständnisvollem Erfassen und in der Schilderung der ihr vorschwebenden Situationen und Charaktere den Besten ihrer Zeit gleichkam." Ging ihr fünfzigster To-
^) Allgemeine Deutsche Biographie XXVI, S. 107.
^) Zu Karoline Pichlers fünfzigstem Todestag. IL Beilage zum Wiener „Fremden-Blatt", Nr. 187 vom 9. Juli 1893.
^) Karoline Pichler (1769—1843). Wiener Tagblatt Nr. 186 vom 8. Juli 1893 (Feuilleton).
destag in der Öffentlichkeit auch ziemlich spurlos vor-über, so brachte das Jahr 1893 doch eine hochwichtige wissenschaftliche Veröffentlichung, die Ausgabe ihrer Briefe an Therese Huber durch K. Glossy ^), der nebst einer trefflichen Einleitung eine Reihe sachkundiger An-merkungen beigab. 1894 folgten vom gleichen Heraus-geber Karoline Pichlers Briefe an K. Streckfuß in eben-so sorgfältiger Ausgabe 2).
War somit die Grundlage für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit Karoline Pichler gegeben, so wollte diese doch nicht recht einsetzen. Dafür erinnerte sich aber ihre Vaterstadt Wien einer Ehrenschuld und wid-mete ihr, nach der bereits früher eine Straße benannt worden war ^), 1898 ein Ehrengrab im Wiener Zentral-friedhof, in das sie 1901 überführt und über dem ein prächtiges Monument errichtet wurde, zu
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