Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
meist der Fall ist, son-dern sich nur in wenigen, aber sicheren Händen befin-den. Gleich nach ihrem Tode hatten nämlicTi L. A. Frankl, Ferd. Wolf und andere deren Wert erkannt und beabsichtigt, sie als Ergänzung zu ihren „Denk-würdigkeiten", aber ohne Gegenbriefe, denn diese wur-den meist für die Pichlerbriefe an die Absender zurück-gesandt, herauszugeben. Karoline von Pelzein, Pich-lers Tochter, war, wobei sie auch einem Wunsche ihrer Mutter nachkam, einverstanden und erließ noch imjuli 1843 folgendes „Höfliches Ersuchen" an die Öffentlich-keit i):
„Die Gefertigte erlaubt sich an alle Jene, namentlich schriftstellerische Persönlichkeiten, die mit ihrer Mut-
^) Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode. Wien 1843, S. 1200.
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ter Caroline Pichler, geb. von Greiner, in Brief-wechsel standen, die höfliche Bitte, ihr die Briefe, die sie von der Hingeschiedenen besitzen, zur Einsicht be-hufs der Abfassung einer Biographie und allfälligen Her-ausgabe, bey strenger Ausscheidung aller persönlichen Beziehungen, wie dieß die Verewigte ausdrücklich wünschte, freundlich einsenden zu wollen, dagegen sie die gewissenhafte Rückstellung der Briefe nebst ver-bindlichstem Danke zusagt."
Der Aufruf war von Erfolg gekrönt. Viele Briefe lang-ten ein und wurden von Ferdinand Wolf einer vorläu-figen Sichtung auf ihre Brauchbarkeit hin unterworfen. Das Auszuscheidende wurde von ihm mit roter Tinte gekennzeichnet und viele Briefe tragen heute noch die Spuren dieser seiner Redaktionstätigkeit. Die Arbeit schritt rüstig vorwärts und 1844 machte Frankl auf die bevorstehende Ausgabe der Briefe, die er „eine reiche und interessante Sammlung" nannte, aufmerksam ^). Die Veröffentlichung wurde aber dennoch fallen gelassen. Wahrscheinlich waren die Erfahrungen, die man mit den 1844 herausgekommenen „Denkwürdigkeiten" ge-macht hatte, das Ausschlaggebende an diesem Entschluß. Wenn schon diese, die mit größter Feinheit und Rück-sichtnahme geschrieben sind, Anlaß zu Beschwerden boten (unten S. LXVHIff.), um wieviel mehr wäre dies erst bei den Briefen der Fall gewesen, deren Hauptwert ja in den rein persönlichen Mitteilungen, die oft eine harte Sprache führen und schonungslose Kritik üben, lag. Hätte man das meiste davon gestrichen, dann wären die Briefe wertlos geworden, hätten nichts von Pichlers Geist an sich gehabt und hätten zu ihrer Charakteristik nicht sonderlich viel beigetragen. Was bis jetzt an Brie-
1) Sonntags-Blätter III, (Wien 1844), S. 304.
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fen von und an die Pichlef gedruckt wurde ^), bezeugt deren Wichtigkeit nicht nur für das Leben der Dichte-rin selbst, sondern auch für die Zeitgeschichte und ihre Zeitgenossen, so daß eine Ausgabe aller Briefe, die nur etwa das ganz Nebensächliche auszumerzen oder mit wenigen Worten anzudeuten hätte, eine Notwendigkeit für die österreichische Literaturgeschichte ist. Wenn Frankl die Briefe, die er von der Pichler erhielt (II, S. 608, Anm. 570), als ,,ein interessantes literarisches Complement zu ihren Memoiren, die sich auf den letz-ten Blättern mehr den Begebenheiten eines stillen Fa-milienlebens widmen und selten mehr den Kreis der Häuslichkeit der würdigen Matrone überschreiten", be-zeichnete 2)^ so gilt dies von allen Briefen, denn vieles, was Karoline Pichler in ihren „Denkwürdigkeiten" nur andeuten konnte oder wollte, findet in den Briefen seine Aufhellung und richtige Beleuchtung.
Da aber auch eine Briefausgabe nur in steter Bezie-hung auf die „Denkwürdigkeiten", als der wichtigsten Quelle für Pichlers Leben und Schaffen, hergestellt wer-den kann, so erweist sich als wichtigste Unterlage für alle Untersuchungen eine kritisch-erklärende Ausgabe dieser Lebenserinnerungen, die bereits 1901 dringend von Oskar Freiherrn von Mitis gefordert wurde^). Deren Notwendigkeit ergibt sich von selbst. Die Erstausgabe (1844) hatte mit Rücksicht auf damals noch lebende Zeitgenossen manches im Dunkel gelassen, sie bot nicht eine Zeile Erläuterungen und doch hat gerade dieses Werk, das beinahe einen Zeitraum von 70 Jahren um-
^) Vgl. das II. Register (Pichler) unter „Briefe".
2) Album. Zum Besten der durch die Überschwemmungen im Frühjahre 1845 in Böhmen Verunglückten. Wien 1845, S. 77.
^) Neue freie Presse Nr, 13302 vom 6. September 1901, Feuille-ton, Sp. 2.
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faßt, einen Kommentar, der die Zusammenhänge und Beziehungen aufdeckt, der Angedeutetes ergänzt und Fehler richtigstellt,
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