Denn am Sabbat sollst du ruhen
Polizeipressesprecher. Nach ihnen trat noch jemand ein, der sich als Offizier des polizeilichen Nachrichtendienstes vorstellte und fragte: »Wo stekken die Jungs?« Daraufhin trat er ins kleine Zimmer, aus dem gerade der Rothaarige herauskam. Er bat alle Anwesenden, sich zur Veranda zu begeben oder wenigstens in der Eingangshalle zu bleiben, dann wandte er sich an die Angehörigen des Instituts, die jetzt grüppchenweise eintrafen. Alle fragten, was die Streifenwagen zu bedeuten hätten und was das für eine Unruhe sei. Der Rothaarige, den der Poli zeisprecher später Einsatzleiter nannte, wandte sich an einen weiteren Beamten, der eben eingetreten war. Er nannte ihn nur »mein Herr«, wechselte einige Worte mit ihm und teilte denen im Zimmer mit, daß ein Offizier der Untersuchungsabteilung eingetroffen sei, worauf er noch einen Augenblick draußen blieb. Die polizeilichen Abkürzungen und Rangbezeichnungen verursachten Gold Schwindel, und er hörte auf, sich mit dem unaufhörlichen Strom von Polizisten zu beschäftigen.
Joe Linder war inzwischen eingetroffen und äußerte sich
mit Bemerkungen wie: Vielleicht ist eingebrochen worden, und man hat alle Sessel gestohlen, und jetzt wächst eine neue Analytikergeneration heran, die keine Rückenschmerzen mehr kennt. Hätte doch Linder die Neidorf gefunden, dachte Gold einen Moment lang. Er hätte zu gern einmal einen Linder gesehen, dem es die Sprache verschlagen hat. Aber ansonsten war niemand zu Scherzen aufgelegt, und jeder, der in die Küche spähte, machte schnell kehrt und blickte sich fragend um. Gott sei Dank nahm keiner an, er könne von Gold Erklärungen erhalten. Der gab sich alle Mühe zu sehen, ohne gesehen zu werden. Aus dem kleinen Zimmer trat der Arzt, ihm folgten die beiden Sanitäter. Wortlos verließen sie das Gebäude. Dann erschien der Lange und flüsterte dem Rothaarigen etwas zu, der daraufhin das Haus ebenfalls kurz verließ, nach einigen Minuten aber zurückkehrte. Der Lange öffnete die Tür zum kleinen Zimmer und sagte: »Die Pathologie ist auf dem Wege, außerdem noch mehr Leute von der Spurensicherung.«
Einige der Anwesenden standen herum, andere saßen auf den Stühlen, die Gold aufgestellt hatte, als alles noch in Ordnung gewesen war. In der ausufernden Menschenansammlung sah er für den Bruchteil einer Sekunde die beiden Kibbuznikim aus dem Süden. Neben ihnen standen zwei Männer, die aus ihren Ledertaschen kleine Apparate zogen, die wie Kassettenrecorder aussahen und sich nach genauem Hinsehen auch als solche erwiesen. Das Gewirr der Stimmen wurde ihm unerträglich, so daß Gold beschloß, sich in die Küche zurückzuziehen und die Aufregung hinter sich zu lassen. Der Gedanke, das Haus zu verlassen, kam ihm gar nicht.
In der Küche sah es nicht besser aus. Dort drang er in den Bereich der beiden Alten ein, die ganz dicht beieinander saßen. Lizzi Sternfeld wischte sich die Augen mit einem sorgfältig geplätteten Herrentaschentuch, das offensicht lich aus Hildesheimers Tasche stammte. Er streichelte ihre Hand. Bei so etwas hatte ihn Gold nie zuvor beobachtet, und doch schien es das Selbstverständlichste auf der Welt.
Der hoch gewachsene Inspektor betrat die Küche und wandte sich an Hildesheimer: »Was genau wird an diesem Ort gemacht?« Wobei er das Wort »genau« betonte. Hildesheimer musterte ihn zunächst müde, dann beinahe ungehalten, und erläuterte schließlich mit sorgfältig gewählten Worten, daß dies ein Ort sei, an dem man sich der Psychoanalyse widme. Die Ausführungen hinterließen einen fragenden Ausdruck auf dem Gesicht des Polizeibeamten, und Gold begriff sofort, daß der Terminus dem Mann nicht geläufig war. Aber dann öffnete dieser zu seiner Überraschung den Mund und fragte: »Ach, Sie meinen Analyse? Das mit der Couch und so?« Der Alte nickte, und auf dem Gesicht des Polizisten erschien ein dünnes Lächeln. Er unterdrückte es schnell und sagte, fast entschuldigend, er habe nicht gewußt, daß man so etwas noch praktiziere und daß es dafür ein besonderes Institut gäbe. Offensichtlich war ihm klar geworden, daß Hildesheimer nicht zu den Menschen zählte, die über dieses Thema Witze machten, auch unter angenehmeren Umständen nicht. Sobald der Alte den entschuldigenden Ton bemerkte, fuhr er fort, daß man an diesem Institut jungen Psychologen die Methode vermittle. Dabei hielt er sich bei dem, was man »genau« an »diesem Ort« mache, etwas auf.
Der Ausdruck des Zuhörenden wandelte sich, und die
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