Denn am Sabbat sollst du ruhen
Nachher, weiter ist nichts passiert. Sie haben mich zur Vernehmung geladen, und ich war nervös, aber weiter habe ich nichts getan. Ich dachte, die Sache wäre erledigt. Genau genommen habe ich gar nicht soviel darüber nachgedacht, sondern an Eva Neidorf, und wie ich ohne sie zurechtkommen würde. Sie starb, als ich mit ten drinsteckte. Wissen Sie, der ganze Eiter ist hochgekommen, jetzt muß die Wunde gereinigt werden, und ich habe niemand, der das tun könnte. Glauben Sie, daß diese Geschichte geheim bleiben kann?«
»Geheim – vor wem?« fragte Michael und steckte sich noch eine Zigarette an. Die Uhr zeigte Viertel vor fünf. Sein ganzer Körper schrie nach Schlaf.
»Vor allem. Was weiß ich. Vor der Armee, der Presse, vor meiner Frau, vor allen. Was meinen Sie?«
Michael sagte, daß die Verhaftung mit Wissen des Gene ralstabschefs durchgeführt worden sei. Zwar habe man ihm nur ganz allgemein mitgeteilt, worum es gehe, aber er würde eine Erklärung verlangen, das ließe sich kaum umgehen. Sie müßten einiges mit seiner Frau klären. Und hochrangige Polizeibeamte verfolgten ebenfalls die Vorgänge, sagte er und streckte, wie Hildesheimer, die Hände aus.
»Kurz und gut«, sagte Alon bitter, »ich bin erledigt.«
»Nein, Sie sind nicht erledigt«, sagte Michael trocken, »Sie müssen Ihre Militärlaufbahn aufgeben, aber auch das nicht, weil Sie eine Therapie gemacht haben, sondern weil Sie Straftaten begangen haben – Einbruch, Vernichtung von Zeugenmaterial, Betrug und Fälschung. Wir nehmen so etwas nicht leicht. Die Wahrheit ist, daß auch Sie nicht überzeugt davon sind, daß Sie sich wirklich zum Generalstabschef eignen oder zum Oberbefehlshaber. Ich werde versuchen, daß die Presse diese Geschichte nicht aufbauscht, aber auch das nicht, weil ich Sie schützen will, sondern aus Sorge um den guten Ruf der Armee und der Militärverwaltung. Aber bis zur genauen Rekonstruktion, die wir mit Ihnen vornehmen werden, und bis zur Untersuchung durch den Lügendetektor bleiben Sie in Haft. Es sind noch keine achtundvierzig Stunden vergangen. Wenn Sie bis zum Schluß mitarbeiten, werden wir darüber reden, was wir für Sie tun können.«
Alon senkte den Kopf bis auf die Knie und barg ihn in seinen Händen. Für einige Minuten sagte er nichts. Michael unterdrückte sein Mitleid, er erinnerte sich an die zwei Wochen, die Eli Bachar in den Banken verbracht hatte und an die Depressionen, die ihm dieser Fall bereitet hatte. Zorn stieg in ihm auf, aber auch den beherrschte er, sah wieder auf die Uhr und sagte, er müsse auch sein Alibi für die angenommene Mordzeit genau prüfen. »Inspektor Eli Bachar wird Ihnen in den nächsten Stunden Gesellschaft leisten. Wenn Sie schlafen wollen, sagen Sie es ihm, wir haben nicht vor, Sie zu quälen. Solange Sie kooperieren, jedenfalls.« Er stand auf. Seine Beine waren eingeschlafen, die Augen brannten. Er verließ das Zimmer, und Eli, der von Zila geweckt wurde, löste ihn ab.
»Die ganze Arbeit mit den Konten und den Banken – und jetzt stecken wir wieder in einer Sackgasse«, sagte Zila verbittert, als sich Michael noch einmal ins Wohnzimmer neben das Telefon setzte, bevor er nach Hause ging.
»Das klingt, als würdest du bedauern, daß er nicht der Mörder ist«, sagte Michael, und er lächelte nicht.
»Das habe ich nicht gemeint. Aber ich verstehe nicht, weshalb er ein solches Risiko eingegangen ist, nur damit niemand erfährt, daß er zu einem Psychologen geht. Einbruch, Diebstahl – das geht doch zu weit, findest du nicht?«
»Natürlich, es geht zu weit. Aber damit haben wir doch ständig zu tun. Scheint dir ein Mord wegen, sagen wir, hunderttausend Dollar denn nicht zu weit zu gehen? Wenn einer das Mädchen ermordet, das er geschwängert hat, nur weil er die Vaterschaft nicht anerkennen will – ist das nicht übertrieben? Aber darum geht es dir nicht, oder? Du woll test sagen, daß wir alle gehofft haben, er ist unser Mann, und nun wissen wir, schon vor allen weiteren Untersuchungen, daß er die Wahrheit gesagt hat. Wir müssen wieder von vorne anfangen.«
Im zweiten Stock spähte Frau Brandstädter durch den Türspion und erkannte sofort den groß gewachsenen Mann, der um halb sechs die Treppe herunter kam. Sie lächelte zufrieden: Ein Mann, der um halb sechs Uhr früh eine Wohnung verläßt, konnte kaum irgendein netter Verwand ter sein. Nein, das war der Beweis für ihre Vermutung: Er ist der böseste von allen. Während er in der Wohnung oben war, hat er
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