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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Schuld. Sie waren schon in der Schulzeit befreundet. Jetzt empfand er nichts mehr, wenn sie miteinander schliefen, es »funktionierte« einfach nicht mehr. Deswegen fing die Sache mit Orna an. Sie war so jung, so ungewöhnlich. »Es dauerte ein halbes Jahr, bis ich es wagte. Und nachher tat es mir leid. Auch sie wollte ich nicht wirklich, und da begriff ich, daß es nicht nur Sex war, es war nicht nur das.« Apathie ergriff ihn, nichts reizte ihn mehr. Neidorf erklärte ihm später, daß er die Symptome einer Depression hatte.
    Michael rauchte schweigend. Alon sah ihn von Zeit zu Zeit an, um sich zu vergewissern, daß er ihm zuhörte, dann heftete er seinen Blick wieder auf die Kaffeelache.
    Diskret, geräuschlos wie eine Katze, verließ Menni den Raum, und Michael Wußte genau, daß er im Nebenzimmer am Aufnahmegerät sitzen würde, ihm entging kein Wort.
    Was hatte seine Depressionen ausgelöst, wollte Michael fragen, aber Alon kam ihm zuvor. Seine Hauptaufgabe als Militärgouverneur, sagte Alon, bestehe darin, Genehmigungen zu erteilen. »Ich weiß nicht, wieweit Sie im Bilde sind, aber diese Leute brauchen sogar zum Wasserlassen eine Erlaubnis. Unglaublich, womit ich mich befassen mußte, niemand würde das glauben.«
    Obwohl er annahm, all dem gewachsen zu sein und be reits eine Zeitlang unter dem vorigen Gouverneur gearbei tet hatte, und wenngleich er Leute von den verschiedenen Armeegruppen zur Verfügung hatte, die für ihn einen großen Teil der frustrierenden Arbeit erledigten, begannen die Dinge ihn doch zu belasten. Er hätte nicht gedacht, daß ihn so viele Schwierigkeiten in dem neuen Amt erwarten würden. »Glauben Sie nicht, daß ich übertreibe«, sagte er wie von Mann zu Mann, »auch Sie hätten das nicht ausgehal ten, glauben Sie mir. Sie sehen mir nicht so aus. Sie sind nicht brutal genug, und das ist keine Sache der politischen Anschauung. Ich habe mich nie mit politischen Fragen befaßt, das ist eine ganz persönliche Angelegenheit: Ist man in der Lage, Gott zu spielen? Das war nie meine Stärke, aber es wurde auch bis dahin nie von mir verlangt.«
    Um drei Uhr morgens brachte Menni Kaffee. Michael fragte Alon, ob er etwas essen möchte. Er wollte nicht essen, sondern sprechen. »Wie ein Wasserfall«, sagte Menni zu Schorr, der um vier Uhr morgens »vorbeikam«, »unmög lich ihn aufzuhalten. Seit er zu sprechen begonnen hat, hat er den Mund nicht mehr geschlossen.« Schorr betrat das Zimmer nicht, hörte dem Gespräch nur aus dem Nebenzimmer zu und verschwand dann wieder.
    Michael hörte, wenn es an der Tür klopfte, er hörte die Schritte, das Telefonläuten, rührte sich aber nicht von seinem Platz. Er konzentrierte sich nur auf den Oberst, der ihm sein ganzes Herz ausschüttete. Die Worte strömten, vieles wurde erzählt, das mit dem Fall in Verbindung stand, vieles, was nichts mit ihm zu tun hatte, und Michael unterbrach ihn nicht.
    Alon sprach über seine alten Eltern, die den Holocaust überlebt hatten. Darüber, daß er der einzige Sohn sei, es gab auch eine Schwester, doch er war der Kaddisch, er würde die Totenklage an ihrem Grab sprechen –, und Michael verscheuchte Nira, Josek und Fela aus seinem Bewußtsein – beinahe mit dem wörtlichen Befehl: »Geht fort, geht, ihr stört nur meine Konzentration.« Alon sprach über die Jugendbewegung, den Schomer ha-Za'ir, über das Ideal der Gleichberechtigung, über den freiwilligen Dienst in Sondereinheiten der Armee, über die Auszeichnungen beim Studium, über die Hoffnungen, die man auf ihn setzte, als er beim Militär aufstieg. Alles ging durcheinander, er erzählte nicht der Reihe nach.
    Dann sprach er über seinen ersten Tag als Militärgouverneur. Er erteilte einem alten Bauern aus der Gegend eine Genehmigung zum Olivenanbau, und der Bauer blickte ihn auf eine Art an, daß er sich dumm und vermessen vorkam. Tag für Tag, sagte der Oberst, versuchte er, nichts an sich heran zu lassen, und es gelang ihm auch – so glaubte er wenigstens –, als er Landesverweisungen unterschrieb, als er Familienvereinigungen verbot, »alles nach den Richtlinien. Ich tat meinen Job. Ständig sitzt einem das Verteidigungsministerium im Nacken. Ich weiß nicht, wo Sie politisch stehen, aber das ist auch irrelevant, glauben Sie mir. Es ist unmöglich, ein liberaler Militärgouverneur zu sein, das läßt sich nicht miteinander vereinbaren«. Joav Alon blickte Michael Ochajon in die Augen und sagte: »Sie verstehen nicht, was das eine mit dem anderen zu

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