Denn am Sabbat sollst du ruhen
ununterbrochen die Möbel verschoben und telefoniert. Jetzt könnte sie vielleicht schlafen.
Drei Tage verbrachten sie mit Alon. Sie verhörten ihn von neuem, auch mit dem Lügendetektor, und es stellte sich heraus, daß der Mann die Wahrheit sagte. Sie ließen sich sogar den Ordner zeigen, den er vom Steuerberater geholt hatte, und die große Plastikmappe, die die Patientenbögen und die Quittungen enthalten hatte. Smira erkannte seine Stimme wieder, wenn auch nicht mit Gewißheit, und der Schuhabdruck, den sie in Eva Neidorfs großem Garten entdeckt hatten, wurde ein wichtiges Indiz.
Alon führte sie zu der Stelle auf dem Friedhof, wo er die Papiere verbrannt hatte, und auch auf die Hügel in Arnona. Dort zeigte er ihnen die verkohlten Reste vom Einband der Patientenbögen, die unter einem großen Stein verborgen waren. Sie sammelten alles in einem großen Nylonsack.
Sie verhörten Linder erneut, und auch Osnat, Alons Frau, sowie seine Sekretärin Orna Dan, und auch die Nachbarin aus dem zweiten Stock seines Hauses, Frau Stieglitz. Man müsse, versicherte die, schon sehr früh aufstehen, um ihren achtsamen Augen zu entgehen. Sie hatte ihn wahrhaftig am Sabbatmorgen um halb neun das Haus zu Fuß verlassen sehen. Mehr konnte sie allerdings leider nicht sagen. Neidorfs Wohnungsschlüssel wurden nicht entdeckt. Sie suchten bei ihm zu Hause, in seinem Auto, seinem Büro, sie fanden nichts. Während der drei Tage beteiligte sich Michael an allen Vernehmungen, aber sein Herz war nicht bei der Sache. Er wußte, daß der Mann die Wahrheit gesagt hatte. Sie steckten – wie Zila gesagt hatte – wieder in einer Sackgasse.
Schorr behauptete, daß Michaels Vermutungen wegen Dina Silber Hirngespinste seien. »Es gibt keine Anhaltspunkte, und ich weiß nicht, was Sie gegen sie haben. Vielleicht untersuchen Sie das mit einem Ihrer Freunde von dort, von diesem Institut da, vielleicht mit diesem Alten, den Sie so verehren, wie heißt er noch?«
Schließlich lud Michael Elischa Naveh zum Verhör ein. Der junge Mann trieb sich weiterhin vor Silbers Praxis herum und später – da sie noch immer krank war – auch vor ihrem Haus. Er sah zusehends verwahrloster aus, wie Rafi, der ihn beschattete, berichtete.
Er verweigerte jede Zusammenarbeit, leugnete jede Beziehung zu Dina Silber, und auch als Michael seine Behand lung in der Klinik erwähnte, zuckte er nicht mit der Wim per. Er ließ sich nicht unter Druck setzen.
Später würde Michael Hildesheimer erklären, daß er während des gesamten Verhörs das Gefühl gehabt hatte, der junge Mann sei nicht anwesend. »Er war in einer anderen Welt und hörte andere Stimmen, nicht meine. Ich versuchte sogar damit zu drohen, daß wir seinen Vater benachrichtigen, daß wir ihn wegen Drogenbesitzes festnehmen, aber er blickte mich immer nur verwundert an, wie von weit weg, als existiere ich nicht. Erst nachdem ich ihn laufengelassen hatte, was ich noch immer bereue, begriff ich, daß er bereits jenseits aller Furcht war, und wenn das der Fall ist, kann man nichts mehr ausrichten.« Aber dieses Gespräch mit Hildesheimer sollte erst einige Tage nach Beendigung der Ermittlungen stattfinden.
Michael ließ den jungen Mann frei, ohne von ihm irgend etwas erfahren zu haben. Er hatte nichts in den Händen. Juval beklagte sich wieder über das nächtliche Zähneknirschen.
Schließlich genehmigte man, daß Dina Silbers Telefon abgehört wurde, trotz der Bedeutung ihres Mannes, und Michael hoffte, daß das die Erlösung bringen würde. Zwei volle Wochen lauschten sie dem Schweigen. Er mußte zugeben, daß sie nicht geschwätzig war, auch nicht im Krankenbett. Daß sie krank war, ließ sich nicht widerlegen. Sie telefonierte nur mit Patienten, mit Joe Linder und wenigen anderen Leuten vom Institut.
Später erst erinnerte sich Michael an einen Anruf, den sie an dem Tag erhielt, als er in das Hadaßah-Krankenhaus in Ein-Kerem gerufen wurde. Dina Silber wiederholte einige Male »Hallo«, und von der anderen Seite hörte man nichts, dann wurde das Gespräch abgebrochen. Sie ermittelten den Anrufer – Dina Silber war von einer öffentlichen Telefonzelle auf dem Zionsplatz aus angerufen worden. Michael maß dem keine Bedeutung bei, bis er zum Hadaßah-Krankenhaus gerufen worden war. Und da war es schon zu spät, wie er Hildesheimer erzählte.
Sechzehntes Kapitel
Seit Schlomo Gold seine Ausbildung zum Psychiater abgeschlossen hatte, war er nur noch zweimal monatlich als
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