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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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tun hat, aber ich kann zitieren, was Eva Neidorf gesagt hatte. Sie erklärte mir, daß alles, was ich nicht sagte, durch den Körper ausgedrückt würde, das ist ein wörtliches Zitat. Bevor ich zu ihr ging, gab es Tage, da hatte ich alle möglichen merkwürdigen Gedanken. Ich wollte diesem reizlosen Leben ein Ende machen. An nichts fand ich mehr Geschmack. Nicht am Essen, nicht an meiner Frau, ich las kein Buch mehr, besuchte keine Freunde, ging nicht ins Kino – nichts. Unmöglich, lange so zu leben, und ich bin zu meinem Hausarzt gegangen, wegen meiner sexuellen Probleme, und er fand nichts Organisches. Ich mußte meine Schlüsse ziehen. Ich hoffe, Sie nehmen diesen Teil nicht auf, und wenn, so ist es mir eigentlich auch egal, soll doch alles zum Teufel gehen.«
    Als der Hintergrund schließlich aufgehellt war, ging Alon zu den Details über, die Michael interessierten. Ein Jahr lang kam er zweimal wöchentlich zu Eva Neidorf. Er achtete peinlich darauf, das Honorar bar zu bezahlen, damit wenigstens Osnat, seine Frau, nichts davon erfahre. Er konnte nicht erklären, weshalb er mit ihr nicht darüber reden wollte. Vielleicht befürchtete er, sie könnte es Joe erzählen, denn nicht mal ihm hatte er sich anvertraut. Er hatte sich an Neidorf gewandt, weil eine gute Freundin, Tami Zvi'eli, die mit ihm auf dem Gymnasium gewesen war, ständig von ihr erzählte, und auch Joe erwähnte sie häufig. Es war klar, daß er ihr nicht bei gesellschaftlichen Anlässen begegnen würde, denn sie kam nicht in Joes Haus. Er verließ sich auf ihre Diskretion, sagte er, und mit Recht. Niemand wußte, daß er bei ihr in Behandlung war, und wenn sie nicht auf diese Weise umgekommen wäre, hätte niemand etwas davon erfahren. Er hatte gleich am Sabbatnachmittag durch Joe von ihrem Tod gehört. Joe rief ihn an, um ihr gemeinsames Mittagessen abzusagen, und erzählte es ihm. Selbstverständlich hatte Joe nicht daran gedacht, ihn zu warnen, denn er hatte keine Ahnung von der Behandlung. Anfangs wußte Alon nicht, daß sie ermordet worden war; Joe erzählte nur, sie sei tot, und er befürchtete nur, daß man die Listen mit seinem Namen in ihrem Arbeitszimmer entdecken könnte. »In der Armee geht man doch davon aus, daß jemand, der zum Psychologen kommt, kein zuverlässiger Mensch ist und ganz bestimmt kein geeigneter Befehlshaber. Offenbar kein Irrtum, ich bin sichtlich nicht geeignet.« Nach dem Gespräch mit Joe geriet er in Panik, fuhr er fort, und wußte nicht, was er tun sollte. Joe erzählte ihm, Eva Neidorf sei eben erst zurückgekehrt, um den Vortrag zu halten, und er vermutete, daß sich die Familie noch nicht wieder zu Hause eingerichtet hatte. Deswegen wartete er bis zum Sonnenun tergang, es regnete noch nicht, und in der Dämmerung brach er durch das Küchenfenster ins Haus ein und nahm die Papiere aus ihrem Arbeitszimmer mit.
    Michael hob die Hand und bat um eine Pause. Er wolle einige Dinge klären, sagte er leise. Warum er einbrechen mußte, fragte er dann, wo er doch den Hausschlüssel hatte? Alon war wie vor den Kopf geschlagen: »Welche Schlüssel? Woher sollte ich Schlüssel haben? Ich begreife wirklich nicht, wovon Sie sprechen«, und Michael ging nicht weiter auf das Thema ein, sondern konzentrierte sich auf die Frage, wie er eingebrochen sei.
    »Kein Problem. Eine Eisenstange für das Küchengitter genügte. Die habe ich mit Leichtigkeit verbogen und dann das Glas zerbrochen. Das Fenster geht zum Garten, nie mand hat etwas gesehen. Dann bin ich ins Arbeitszimmer gegangen. Ich habe alle Schubladen durchsucht, ich nahm die Liste, auf der in großen Lettern ›Patientenhilfe für Notfälle‹ stand, an mich, und auch den Stundenplan habe ich gefunden«, sagte er verlegen. »Sie müssen mir glauben, daß ich nichts gelesen habe, ich habe alles verbrannt, auch ihr Adreßbuch, dort habe ich auch meinen Namen entdeckt.«
    »Und den Vortrag«, sagte Michael, als stellte er eine Tatsache fest.
    »Den Vortrag?« wiederholte Alon verwirrt und sagte dann: »Ah, den Vortrag, den sie an jenem Morgen halten sollte? Weshalb hätte ich den an mich nehmen sollen, was ging mich der Vortrag an? Ich habe ihn nicht einmal dort gesehen, aber, um ehrlich zu sein: Ich habe auch nicht danach gesucht.«
    »Sie sind also nicht alle Papiere durchgegangen?« fragte Michael, und er wußte, daß Alon die Wahrheit sagte, hoffte aber immer noch, sich zu irren.
    »Ich habe dort nicht stundenlang gesessen und alle Papiere gelesen, ich habe nur gesucht,

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