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Denn das Glueck ist eine Reise

Denn das Glueck ist eine Reise

Titel: Denn das Glueck ist eine Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Vermalle
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kleine Jungen geschlagen? Nein. Hatte er radikale politische Ansichten, grässliche Freunde, eine dunkle Vergangenheit? Nein, so viel sie wusste, war all das nicht der Fall. Und dennoch hatte sie sich so weit von ihm entfernt, dass sie die seltenen Male, wenn sie etwas über ihn erzählte, immer in der Vergangenheit sprach. Er war nicht tot. Noch nicht. Er hatte zwar Probleme mit seiner Gesundheit und seine Frau war gestorben. Darunter hatte er sehr gelitten. Er war seit vielen Jahren allein, und dennoch ... Dennoch hatte Adèle sich nicht gekümmert.
    In jener Nacht ging Adèle das Gespräch mit dem Schauspieler nicht mehr aus dem Kopf, und sie dachte über ihren eigenen Satz nach, den, den sie nicht beendet hatte. Ebenso wie sie Irving Ferns’ Einsamkeit gespürt hatte, spürte sie mitten in der Nacht die Einsamkeit ihres Großvaters. Für den alten Schauspieler, den sie nur zwei Tage lang erlebt hatte, empfand sie Mitgefühl, nicht aber für ihren Großvater, der sie in allen Ferien ihrer Kindheit mit offenen Armen empfangen hatte. Plötzlich schämte sie sich, und ehe sie einschlief, nahm sie sich fest vor, ihren Großvater gleich am nächsten Tag anzurufen.

Dienstag, 14. Oktober

    Loches (Indre-et-Loire)
    ....................
    Das war alles, was sie mit Irving Ferns erlebt hatte. Ohne tiefgründige Sätze, ohne aufsehenerregende Enthüllungen, ohne Weisheit und Pathos hatte der alte Mann Adèle zu diesem entscheidenden Schritt veranlasst, der in den letzten Wochen alles verändert hatte. Jetzt musste sie es ihrem Großvater sagen.
    Adèle nahm ihren ganzen Mut zusammen und begann mit unsicherer Stimme.
    »Opa, ich hab dir doch erzählt, dass ich bei einem Film mitarbeite. Es geht um den Mord an einem alten Milliardär. Am ersten Tag wurde die Szene gedreht ... als der Mann tot aufgefunden wurde.«
    »Oh, mein armes Kind, und da hast du deinen alten Opa an der Stelle des Toten gesehen? Oh! Ermordet! So schnell kann das gehen ...«, sagte Georges scherzhaft.
    »Nein, nein, das wäre eher unwahrscheinlich. Da sind überall Scheinwerfer, Perücken, die irgendwo herumbaumeln, und die ganze Filmcrew ringsherum, da läuft man nicht Gefahr jemanden zu verwechseln. Außerdem habe ich von der Szene nicht viel mitbekommen ... Nein, aber der Mann, der die Rolle gespielt hat, war in deinem Alter. Und, na ja, ... ich habe mich einfach gut mit ihm verstanden.«
    Adèles Stimme begann zu beben. Sie verstummte kurz, um sich zu fassen.
    »Und da ich mich gut mit ihm verstanden habe, habe ich mir gesagt, dass es eigentlich keinen Grund gibt, warum ich mich nicht auch mit dir gut verstehen sollte. Ich glaube, wenn man jung ist, vergisst man, dass man sich mit Großvätern gut verstehen kann.«
    Adèle verstummte. Ihr Großvater schaute sie zärtlich an.
    »Du hast recht, mein liebes Kind. Und bei den Alten ist es ebenso. Wenn man alt ist, vergisst man, dass man sich mit den jungen Leuten gut verstehen kann. So ein Mist!«
    Er schniefte und nahm die Hand seiner Enkelin in seine.
    »Weißt du, Adèle, man sagt oft: ›Ach, das Leben ist zu kurz, das Leben ist zu kurz.‹ Und ich habe viele, viele Jahre geglaubt, meins sei zu lang gewesen. Und jetzt ... jetzt sage ich mir, dass es genau richtig war.«

    Der schwarze Georges verbrachte viel Zeit in dem Zimmer des weißen Georges. Nachdem Adèle gegangen war, besuchte er ihn und sah, dass sein Patient ziemlich aufgewühlt war.
    An diesem Abend sprachen sie sehr lange miteinander – soweit die Arbeit der Krankenschwestern und der Ärzte es zuließ –, auch noch lange nach Ende der Besuchszeit. Anfangs war es vor allem der weiße Georges, der sprach, während der schwarze Georges das Gespräch mit diesen Gemeinplätzen spickte, mit denen gute Freunde versuchen, uns Mut zu machen: »Das größte Leid ist das, welches der Mensch sich selbst angedeiht.« »Es ist so wie bei den Familienfeiern. Es ist besser, man geht, solange sich alle gut amüsieren, denn dann behält man alles in schönster Erinnerung.«
    Ab und zu sprach jedoch auch der schwarze Georges mehr, und Georges hörte ihm aufmerksam zu. Immer wenn Georges der Schwarze gesprochen hatte, schien alles irgendwie einfacher. Sie dachten darüber nach, was Françoise ihrem Vater während des Telefongesprächs gebeichtet hatte, denn das hatte Georges tief bewegt. Das kleine orangefarbene Notizheft mit den Eselsohren wurde hervorgeholt, schnell etwas hineingeschrieben, wieder weggesteckt, wieder hervorgeholt, wieder etwas

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