Denn das Glueck ist eine Reise
in seinem Haus erwies Adèle ihm eine Ehre, die ihm mehr bedeutet hätte, als alle Medaillen und Abzeichen dieser Welt: Sie schenkte ihm einen sonnigen Platz auf der Schatzinsel ihrer glücklichen Kindheit.
Dienstag, 21. Oktober
London
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Nach der achten Aufnahme war die Szene endlich im Kasten, und die Dreharbeiten konnten abgeschlossen werden. »Schnitt, das war’s! Ladies and gentlemen, it’s a wrap! « Das ganze Team applaudierte. Sie umarmten und beglückwünschten sich. Es wurden sogar ein paar Tränen vergossen, und das ebenso aus Müdigkeit wie vor Freude. Der Produzent David Lerner, ein großer, schlaksiger blonder Mann, der vermutlich auf die fünfzig zuging, aber noch immer das Aussehen eines Cambridge-Studenten zur Schau trug, stand urplötzlich vor ihnen. Er bat das Filmteam, ihm ins Erdgeschoss zu folgen, sobald sie alles aufgeräumt hätten. Adèle war wie immer die Letzte, die das Set verließ. Sie überprüfte, dass alles ordentlich war, dass sie nichts hatten herumliegen lassen und dass in dem alten Haus alles wieder an seinem Platz lag. Sie ging von Etage zu Etage, durchlief die Flure mit den knarrenden Holzfußböden und öffnete noch einmal Tür um Tür. Nachdem sie über einen Monat in diesen alten Gemäuern zugebracht hatte, fühlte sie sich hier wie zu Hause. Sie fühlte sich unbeschwert und glücklich, und in ihrem Kopf kreisten die Gedanken unaufhörlich um die positive Veränderung in ihrem Leben: Die Dreharbeiten waren beendet, ein Kapitel ihres Lebens abgeschlossen, und sie hatte neue, optimistische Pläne für die Zukunft. Aber das Beste war, dass sie diese unerklärliche SMS von ihrem Großvater erhalten hatte, und sie fühlte sich leicht und sprudelte über vor Energie.
Als sie in dem Raum im Erdgeschoss ankam, war die Party bereits in vollem Gange, und überall herrschte fröhliches Stimmengewirr. Die Kantinenkräfte servierten Champagner und einfache Kanapees, und der Raum war erfüllt von fröhlichem Lachen. Auf der Suche nach einem Champagnerglas bahnte Adèle sich einen Weg durch die Menge. Sie bemerkte nicht, dass der Produzent, die Produktionsleiterin und ihre Assistentinnen in einer Ecke des Raumes flüsterten und etwas vorbereiteten. Plötzlich erklang die Stimme des Produzenten, der um Ruhe bat.
» Excuse me everybody ... Dürfte ich um Ruhe bitten! Danke ... Ich würde gerne ein paar Worte sagen. Danke. Ich möchte mich beim gesamten Filmteam für die Arbeit bedanken, die ihr alle geleistet habt. Ich habe eben den ersten Schnelldurchlauf des Films gesehen, und das Ergebnis ist ganz einfach fantastisch. Wir haben sogar ein Viewing mit der Leiterin der Sendeanstalt gemacht, und sie ist total begeistert. Ich für meinen Teil bin sehr stolz, dass ich an diesem Film mitgewirkt habe, und ich bin sicher, dass er ein großer Erfolg wird. Also nochmals vielen Dank für eure fantastische Arbeit. Cheers! «
Alle riefen im Chor » Cheers! « und klatschten. Inmitten des Applauses meldete der Produzent sich erneut zu Wort.
»Noch eine Sache möchte ich loswerden, und anschließend trinken wir ... Wir haben heute auch einen Geburtstag zu feiern!« Die Assistentinnen hatten einen kleinen, mit einer Kerze verzierten Geburtstagskuchen aus der Kantine geholt. »Adèle, wo ist sie denn, Adèle ... Ah, da ist ja Adèle, die ihr ja alle kennt ... Happy birthday to you, happy birthday to you ...«
Es dauerte ein paar Sekunden, bis Adèle begriff, dass sie gemeint war. Die Röte stieg ihr in die Wangen, sie lächelte bescheiden und pustete die Kerze aus. Der Produzent unterbrach den Applaus noch einmal:
»So, ehe Adèle eine Rede hält – nein, du wirst dich nicht drücken –, möchte ich ein Wort sagen, und das gilt nicht nur für unser Geburtstagskind, sondern für alle Praktikanten und Assistenten, die vielleicht noch härter gearbeitet haben als alle anderen. Ich glaube, alle haben bemerkt, dass wir bei diesen Dreharbeiten besonders qualifizierte Assistenten hatten ...« (Einige Schauspieler nickten.) »Ich möchte ihnen sagen, dass sie hervorragende Arbeit geleistet haben. Und dies möchte ich nachdrücklich betonen, denn ich weiß, wovon ich spreche, weil ich selbst einmal so angefangen habe. Ich weiß, sie glauben, man würde sie nicht bemerken. Aber ich versichere euch, dass wir euch bemerkt haben. Und glaubt mir, selbst wenn es oft undankbare Aufgaben sind, die ihr übernehmen müsst, so sind sie doch für den reibungslosen Ablauf von größter,
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