Denn die Gier wird euch verderben - Thriller
ruft sie.
Maja klingt so böse. Der Wildhund sieht Rebecka an. Sie ist jetzt ganz doll bewusstlos. Und kann sterben.
Soll er rufen? Rebecka hat gesagt, er soll still sein, aber da war sie noch nicht bewusstlos.
Er öffnet den Mund zum Rufen, aber es kommt nichts heraus. Denn er hat es doch versprochen.
Und jetzt, als er solche Angst hat, dass er sich das Weinen kaum verkneifen kann, da ist im Wald eine große Lampe. Zwei Lampen. Drei.
Und dann hört er Kristers Stimme.
»Marcus!«, ruft Krister. »Rebecka!«
Die Lampe der Maja-Jägerin erlischt und verschwindet zwischen den Fichten.
Marcus streichelt Rebecka. Jetzt wird alles gut. Er wird still sein. Der Wildhund spielt nicht zum ersten Mal mit Krister Verstecken. Und bestimmt ist Tintin dabei. Sie werden ihn bald finden. Jetzt wird alles gut.
H JALMAR L UNDBOHM STIRBT am Ostersonntagmorgen des Jahres 1926. Der Arzt war am Vorabend bei ihm. Er hat Herz und Lunge abgehört: hastiger, ungleichmäßiger Atem. Hat gesagt, jetzt werde es nicht mehr lange dauern. Bei diesem kurzen Besuch ist Hjalmar nicht zu sich gekommen.
Als der Arzt gegangen war, kehrte Bruder Sixten zu dem Sessel zurück, den sie neben das Bett gestellt hatten. Er hielt eine Zeit lang Hjalmars Hand. Dann las er ein wenig. Schlief im Sessel ein. Das Buch fiel ihm aus der Hand auf den Boden.
Um halb fünf Uhr morgens schlägt Hjalmar Lundbohm zum letzten Mal die Augen auf. Der Bruder schläft im Sessel. Sein Kopf hängt herunter wie eine verwelkte Blüte. Die Brille liegt auf seinem Schoß.
Auf der Bettkante sitzt Elina. Sie beugt sich über Hjalmar und küsst sein Gesicht.
Dann steht sie auf. Er streckt die Hände nach ihr aus wie ein Ertrinkender. Sie darf ihn nicht verlassen.
»Komm jetzt«, sagt sie und lächelt ein wenig erstaunt, als wolle sie fragen, warum er eigentlich hier liegt.
Und da kann er mit solcher Leichtigkeit seinen Leib verlassen.
Sowie er einen Schritt macht, ist er nicht mehr in Sixtens Haus.
Es ist Spätwinter. Die Sonne leuchtet über einem verschneiten Kiruna.
Dort vorn geht sie. Ihre blonden Locken lösen sich immer wieder aus dem Haarknoten. Er holt sie ein. Sie lächelt ihn von der Seite her an. In ihr gibt es keine Trauer, keinen Hass, keine Enttäuschung. Dennoch krampft sich seine Brust zusammen.
»Verzeih«, sagt er. »Verzeih mir, Elina.«
Sie bleibt stehen und macht ein überraschtes Gesicht.
»Was denn?«, fragt sie.
Und ihm geht auf, dass er es nicht mehr weiß. Er dreht sich um, als sei die Erinnerung etwas, das er aus der Tasche verloren hat und das vielleicht hinter ihm auf der Straße liegt. Aber sie ist verschwunden.
Und dann gibt es nur Schnee und Sonne und eine lachende Lehrerin, die er am Arm nimmt und nie wieder loslassen will. Und den bebenden Frühling, der unter all dem vielen Weiß liegt und in seiner ganzen Schönheit hervorbrechen will.
A NNA- M ARIA M ELLA TRAT auf den Kankenhausflur hinaus und holte sich noch einen Kaffee. Als sie zurückkehrte, war Rebecka zu sich gekommen. Sie lag mit einer Kanüle im Arm im Bett und starrte zur Deckenlampe hoch.
»Hallo«, sagte Anna-Maria vorsichtig.
Rebecka wandte sich langsam ihr zu. Mit Augen schwarz wie Winterwasser hielt sie Anna-Marias Blick fest.
»Marcus?«, fragte sie.
»Dem geht es gut. Dieser Örjan hatte ihn ja erst mal bewusstlos geschlagen. Deshalb haben sie ihn über Nacht hier im Krankenhaus behalten. Aber nur zur Beobachtung. Er schläft.«
Anna-Maria setzte sich auf Rebeckas Bettkante und streichelte Rebeckas Kopf, wie sie das bei ihren kranken Kindern machte.
»Kannst du sprechen?«
»Maja?«, flüsterte Rebecka.
Anna-Maria holte Luft.
»Tintin hat sie gefunden«, sagte sie. »Sie ist durch den Wald gelaufen. Aber wir haben einen Geländewagen genommen, der bei einer Hütte stand, und da hatten wir sie bald eingeholt.«
Rebecka nickte. Sie hatte Tintin auf einer Badezimmermatte stehen sehen, damit sie auf der Ladefläche eines Geländewagens nicht ausrutschte, und mit der Schnauze hatte Tintin die richtige Richtung angezeigt.
»Als wir Maja eingeholt haben, ist sie zum Fluss runtergelaufen«, sagte Anna-Maria jetzt. »Und reingesprungen.«
Sie schaute in ihren Kaffee und schnitt eine Grimasse.
»Den Rest kannst du dir ja denken. Strömung und Minustemperaturen. Sie hat es nicht geschafft. Wurde zwanzig Meter weiter flussabwärts an Land getrieben. Tintin hat den Leichnam sofort gefunden.«
Anna-Maria trank einen Schluck Kaffee. Dachte daran, wie sie mit der
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