Denn wer zuletzt stirbt
Ratten im Arztzimmer. Oder sollte ich ihr sagen, Trixi wäre nur ein vollgesogener Blutegel, ein Experiment von mir, weil ich vorhabe, wieder Blutegel in die Therapie einzuführen? Statt dessen fragte ich sie etwas anderes.
»Sag mal, Renate. Kennst du einen Immobilienmakler Marske, Manfred Marske?«
»Nee, nie gehört. Warum?«
»Ich wollte es nur wissen«, war meine nicht allzu intelligente Antwort.
Wahrscheinlich war schon die Frage zu diesem Zeitpunkt nicht sehr intelligent gewesen. Ich verbarrikadierte mich in meinem Arztzimmer, beladen mit einem der gestern verschmähten Steaks aus dem Kühlschrank in der Teeküche. Trixi kaute begeistert darauf herum, während ich ein paar Tierpensionen anrief. Aber kein Glück, anscheinend hatte zur Zeit ganz Berlin seinen Hunden einen Urlaub in einer Tierpension spendiert.
»Ich kann dich immer noch bei den Versuchstieren abgeben. Da kannst du was für die Menschheit tun, wirst ein Held. Würde dir das gefallen?«
Ich möchte Trixis Ausdruck als freudig erregt bezeichnen. Aber vielleicht bezog sich das mehr auf das BSE-Steak als auf eine mögliche Karriere in der Wissenschaft. Außerdem ist die Humana-Klinik kein Universitätskrankenhaus, wir haben gar kein Tierlabor. Also nahm ich diesen Hundeverschnitt am Abend erst einmal mit nach Hause.
Die ganze Woche hörte ich nichts von Celine, die weiter mit meiner Adressenliste um die Häuser zog. Freitag abend tauchte sie unangekündigt bei mir auf, ließ sich auf meine Couch fallen und warf mit einem kräftigen Schwung ihre Schuhe in die Gegend.
»Ich habe mir ein Lob verdient. Und mindestens zwei Essen in einem Ristorante meiner Wahl!«
»Wofür?«
»Zwei Einladungen in ein Restaurant meiner Wahl, abgemacht?«
»Celine, wenn du nicht mit der Sprache herausrückst, kommt noch heute abend eine weitere Wohnung auf den Markt, ganz hier in der Nähe. Was hast du gefunden?«
»Unter anderem einen ganz süßen Kunden. Heribert. Stell dir vor. Möchtest du Heribert heißen? Ist das nicht schrecklich?« Natürlich wollte ich nicht Heribert heißen. Noch weniger aber wollte ich von einem Heribert hören. Und am wenigsten von einem ganz süßen Heribert.
»Celine, ich interessiere mich für den Immobilienmakler Manfred Marske. Nicht für Heriberts.«
»Solltest du aber. Du könntest einiges von ihm lernen.«
Celine kannte keine Gnade. Heribert war offensichtlich der dicke Fisch vom letzten Sonntag und der Grund, weshalb sie unser traditionelles Dinner abgesagt hatte. Heribert machte irgend etwas Tolles in der Werbebranche, Heribert sah gut aus, Heribert war der Charme in Person. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, Celine mit meiner Adressenliste durch die Gegend zu schicken.
»Wir waren zweimal Essen. Und jedesmal habe ich ihm ein paar Versicherungen verkauft. Er hat jetzt eine private Haftpflicht, eine Hausratversicherung, eine fette Lebensversicherung ... Und er hat auch noch für unsere Aktion ›Kein Mensch ist illegal‹ gespendet.«
Ich begann, Celine zu würgen. Wie würde ich die Leiche entsorgen? Zusammen mit dem Leichnam meiner Tochter? »Moment noch«, keuchte sie lachend unter meinem Würgegriff. »Heribert war auch der erste auf unserer Liste, der seine Wohnung über diesen Marske bekommen hat!«
Endlich rückte sie ihre Aufstellung heraus. Mit sechsunddreißig Adressen hatte ich sie losgeschickt. Bei sechs Adressen hatte sie bisher keinen Kontakt bekommen, unter sieben weiteren Adressen wohnte entgegen unseren Auswahlkriterien doch ein Hinterbliebener unserer Toten, der im Aufnahmebogen einfach nicht als Kontaktperson für den Notfall angegeben worden war. Blieben dreiundzwanzig neu vermietete oder verkaufte Wohnungen. Und davon hatte sechzehnmal Manfred Marske das Geschäft gemacht.
»Bei allen sechzehn Wohnungen, die dieser Marske vermittelt hat, handelt es sich um Eigentumswohnungen. Alle in ausgezeichneter Wohnlage und ziemlich groß. Mit popeligen Mietwohnungen in Moabit oder Prenzelberg gibt sich unser Manfred nicht ab.«
Celine wäre nicht Celine, hätte sie nicht gleich ein paar Berechnungen angestellt.
»Also paß auf. Wir bewegen uns hier im oberen Preissegment. Einige Leute haben mir den Kaufpreis verraten, wegen der Hausratversicherung. Minimum dreihunderttausend Euro. Nehmen wir nur diese dreihunderttausend Euro pro Wohnung an, macht das im letzten Jahr bei sechzehn Wohnungen immer hin einen Umsatz von 4,8 Millionen Euro für Freund Marske, um die zehn Millionen in guten alten
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