Denn wer zuletzt stirbt
er im Krankenhaus verhungerte, aber sie hatten ihn wenigstens auf eine cholesterinarme Diät gesetzt.
»Mach dir nicht ins Hemd, Felix. Wozu soll ich mich cholesterinarm ernähren, wo es Statine gibt? Es muß ja nicht gerade Lipobay sein! Wenn ich nichts Ordentliches essen darf, hättest du mich nicht zu reanimieren brauchen.«
Es war nicht die Gier, mit der sich Valenta auf die Bratkartoffeln stürzte, die mich störte. Auch nicht, daß sein erster Besuch außerhalb der Klinik Schwester Renate galt und nicht seiner Frau. Es war die Tatsache, daß Butter und Speck und Zwiebeln nicht den anderen Geruch in Renates Wohnung überdecken konnten – es roch eindeutig nach Hund. Kein Parfüm der Welt kann das neutralisieren! Und noch nie hatte Renate einen Hund gehabt. Außerdem kratzte es hinter der Tür in wohlbekannter Weise.
»Laß meinen Hund raus, Renate !«
Valenta. versuchte, ein überraschtes Gesicht zu machen, während Renate aufstand und die Tür zum nächsten Zimmer öffnete. Es war nicht so, daß Trixi sich vor Freude umbrachte, mich zu sehen, aber immerhin kam sie zu mir. Ich fragte Renate nach ihrer Leine, ließ sie an Trixis Halsband einschnappen, und wir gingen.
»Felix, komm zurück. Laß dir das wenigstens erklären«, rief uns Renate hinterher, doch wir waren schon fast an der Haustür.
Ich war deprimiert. Deprimiert und enttäuscht. Nur zu gerne hätte ich mich von den beiden überzeugen lassen, schließlich arbeiteten wir seit Jahren zusammen. Bei Bratkartoffeln mit Speck hätten Renate und Valenta mir ein wasserdichtes Alibi für die Silvesternacht präsentiert und wir hätten gemeinsam überlegt, wie wir den wirklichen Übeltäter in der Klinik finden und überführen würden. Um so tiefer die Enttäuschung, als ich Trixi an der Tür kratzen hörte.
»Was mich am meisten ärgert«, meinte ich zu Celine am Telefon, »ist, daß Valenta diese Extraeinnahmen doch gar nicht braucht. Seine Frau besitzt mehrere Mietshäuser und hält Anteile an der Firma ihres Vaters. Selbst wenn er sich an der Börse kräftig verspekuliert haben sollte, dürfte das als Polster ausreichend sein. Da ist bestimmt ein Mercedes SLK drin, ohne sich an toten Patienten zu bereichern. Ich verstehe das nicht.«
»Vorsicht, mein Lieber«, antwortete Celine.
»Du hast es neulich selbst gesagt: Was geschieht mit diesem Polster, wenn Valentas Frau von Schwester Renate erfährt? Und wieviel davon hat der gute Valenta eventuell schon in seine Börsengeschäfte gebuttert?«
Bisher hatte ich Valentas Börsengeschäfte eher als Freizeitspaß gesehen, als eine Art Unterhaltung, aber vielleicht hatte Celine recht. Betrübt über die Gattung Mensch entschied ich, daß ich frische Luft und Trixi einen passenden Baum brauchte. Doch weit entfernt von irgendeiner Dankbarkeit über ihre Befreiung aus Verbrecherhand nutzte Trixi unbarmherzig ihre aktuelle körperliche Überlegenheit gegenüber ihrem mutigen Befreier und zerrte mich samt Krücken noch brutaler als sonst entgegen jeder gerade eingeschlagenen Richtung. Nun war ich endgültig enttäuscht. Enttäuscht nicht nur von der Menschheit, sondern auch von ihrem angeblich besten Freund.
»Gleich morgen früh gebe ich dich im Tierheim in Hohenschönhausen ab. Da habe ich dir neulich schon einen schönen Platz ausgesucht.«
Tatsächlich hörte Trixi einen Moment auf, an der Leine zu reißen, und schaute mich an, entschied aber schnell, daß es sich nur um eine leere Drohung handeln könne und brachte mich mit einer plötzlichen Drehung in Richtung nach Hause endgültig zu Fall.
Als ich im Schneematsch auf dem Pflaster liegend Gipsbein und Krücken auseinander sortierte, traf mich eine erschrekkende Erkenntnis: So, wie der Blitz nie zweimal in dasselbe Haus einschlägt, würde mir wohl kaum noch einmal das Glück widerfahren, durch eine Entführung von diesem Tier befreit zu werden.
15
Am nächsten Morgen hielt sich Trixi irgendwo in der Wohnung versteckt, während ich die übliche Dusch-Zahnputz-Rasier-Routine abspulte. Einfaltspinsel, der ich bin, bezog ich ihre Zurückhaltung auf ein schlechtes Gewissen wegen gestern abend. Weit gefehlt. Als ich meinen Kram für die Klinik zusammenpackte, entdeckte ich den wahren Grund für Trixis vorübergehende Schüchternheit: Unbeeindruckt von meiner Drohung mit dem Tierheim oder als Antwort darauf hatte sie sich über die Tonbandkassette hergemacht, auf die ich total müde und gegen erheblichen inneren Widerstand noch am späten Abend einen
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