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Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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Stapel längst fälliger Arztbriefe diktiert hatte.
    Mit wenig Hoffnung legte ich die angeknabberte Kassette in das Diktiergerät, aber Trixi hatte ganze Arbeit geleistet und ich einen kompletten Abend umsonst geopfert. Ich beschloß, die Sache mit dem Tierheim ernsthaft in Erwägung zu ziehen.
    Auch ohne Trixis Bemühungen um meine Arztberichte lief unsere in der Regel gut geschmierte Krankenhausmaschinerie in diesen Tagen nicht sehr gut. Auf der Station mußten wir weiterhin ohne Käthe und ihre unauffällige Organisation im Hintergrund auskommen, auf der Intensivstation fehlte Valenta mit seinen weniger stillen, aber immer eindeutigen Anweisungen. Der ließ sich jetzt zu Hause pflegen und war wahrscheinlich bemüht, seinen in der Klinik gefährlich gesenkten Cholesterinspiegel wieder auf die ihm gemäße Höhe zu bringen.
    Renate erschien weiter zum Dienst, ging mir jedoch aus dem Weg. Privat mußte ich zu einer Entscheidung kommen, wie ich mich zu Winters Erblassung an die Klinik verhalten sollte, hatte er doch mich beziehungsweise mein Erbe von Tante Hilde mit seinem Hundert-zu-eins-Angebot in die Pflicht genommen. Während meiner Zeit als Patient und später als Patient und Teilzeitarzt hatte ich mich nicht um meine finanzielle Lage gekümmert. Es war an der Zeit, mir einen Überblick über den aktuellen Wert meines Aktiendepots zu verschaffen.
    Dieser Überblick brachte wenig Freude. Valentas Geheimtip Advanced Biotechnology Systems, Schwergewicht meines Depots, hatte zwar nicht den von Valenta prognostizierten steilen Kursanstieg genommen, sich aber anfänglich für ein Startup gar nicht so schlecht gehalten. In den letzten Wochen war ABS allerdings erheblich unter Druck gekommen, genauer gesagt, um über fünfzig Prozent gefallen. Der von Valenta erwähnte Kauf eines größeren Aktienpakets durch eine holländische BiotechFirma hatte dann zwar tatsächlich zu einem leichten Kursanstieg von ABS geführt, aber nur kurzfristig. Als Advanced Biotechnology Systems jetzt bekannt gab, daß man selbst diese BiotechFirma übernehmen wolle, wurde sogar Börsenignoranten wie mir klar, daß es sich bei dem ersten Deal um ein Scheingeschäft zur Stützung des Aktienkurses gehandelt hatte. Entsprechend sauer reagierten die Anleger, und mein Aktienvermögen reduzierte sich weiter.
    Das Erbe von Tante Hilde würde dieses Loch genau stopfen, womit allerdings das Erbe von Herrn Winter für die Klinik futsch wäre. Ein moralisches Dilemma, das nicht dadurch gemindert wurde, daß einige Tage später eine Rechnung aus dem Landkreis märkische Schweiz über 2196 Euro »betreffs Bergung Ihres Fahrzeugs« bei mir eintrudelte!
    Wenigstens betrachte ich, im Gegensatz zu meinen angeblich wohlmeinenden Bankberatern, die Börse nicht als wirkliche Vermögensanlage, sondern mehr als Spielwiese. Dort angelegtes Geld zu verlieren ist bitter, treibt mich aber nicht in den Ruin. Valenta hingegen schwört auf Aktien als Mittel der Vermögensmehrung und leider auch auf Geheimtips. Soweit ich wußte, hatte er einen Haufen Geld in Aktien von Advanced Biotechnology Systems investiert. Und was war mit seinen anderen todsicheren Insidertips? Den Optionsscheinen auf den Yen? Den Warentermingeschäften mit dem Kaffee aus Costa Rica? Vielleicht hatte Valenta wirklich ein Problem, das er vor seiner Frau, finanzstark oder nicht, geheimhalten mußte!
    Hinsichtlich meiner eigenen Vermögensverhältnisse erreichte ich einen Kompromiß mit meiner angeborenen Knauserigkeit und beschloß, wenigstens die 2196 Euro »betreffs Bergung Ihres Fahrzeugs« aus dem Erbe von Tante Hilde zu finanzieren, den Rest aber in das Hundert-zu-eins-Angebot von Patient Winter zu investieren. Davon wollte ich Winter sofort unterrichten, bevor mein Egoismus mir eine andere Aufteilung der Erbschaft nahelegen würde.
    Schon von weitem sah ich allerdings Schwester Renate vor Winters Zimmer, fertig umgezogen für den Feierabend. Ich wollte schon abdrehen, als ich mich fragte, was sie dort wohl zu suchen habe. Bereitete sie einen neuen Anschlag vor? Das galt es zu verhindern, ich ging auf sie zu. Renate drehte sich zu mir um.
    »Sind Sie Dr. Hoffmann?«
    Eine prachtvolle Blondine um die dreißig – aber eindeutig nicht Renate.
    »Und wer sind Sie?«
    »Simone Simons. Ich bin die Großnichte Ihres Patienten Winter. Und ich habe mit Ihnen zu sprechen.«
    Es ist nicht ungewöhnlich, daß ich die Angehörigen meiner geriatrischen Patienten nicht kennenlerne, oft haben sie einfach keine

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