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Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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Vielleicht erpressen Sie ihn sogar, Schmerzlinderung gegen neues Testament!«
    War die Frau irre? Ihre Anschuldigungen wenigstens waren es. Frau Simons hingegen machte den Eindruck, als wäre sie alles andere als irre und auch recht gut über die medizinische Problematik orientiert. Und würden ihre Anschuldigungen vor einem Gericht wirklich so irrwitzig klingen, wie sie es waren? Heutzutage sind deutsche Gerichte eher bereit, Behandlungsfehler zu unterstellen, und der Wechsel des Arztbildes vom selbstlosen Heiler zum gewissenlosen Geldschneider ist in der Gesellschaft weitgehend abgeschlossen. Wäre der Zeuge Winter dann tot, wurde mir klar, konnte die Klinik in einem Prozeß unter Umständen mehr als sein Erbe verlieren.
    Was sollte ich sagen? Wäre Frau Simons nicht gleich mit massiven Drohungen gekommen, hätte ich sicher eine Einigung versucht, irgend etwas wie halbe-halbe mit Winters Erbe. Aber dieser Weg war jetzt verstellt, wäre einem Schuldeingeständnis gleichgekommen.
    »Es tut mir leid, Frau Simons, daß Sie die Angelegenheit so sehen. Tatsache aber ist, daß, aus welchen Gründen auch immer, Ihr Herr Großonkel Sie von seinem Erbe ausschließen und seinen Besitz in eine Stiftung einbringen möchte. Wenn Sie noch irgendwelche Fragen zu seiner Behandlung haben, stehe ich gerne zu Ihrer Verfügung.«
    Hatte sie nicht und rauschte ab. Ich mußte mit Winter reden. Und mit Beate. Und alle mußten wir mit einem Rechtsanwalt sprechen. Aber erst, nachdem wir uns selbst informiert hatten, ich habe meine Erfahrung mit Rechtsanwälten. Die Sache hatte Zeit, mindestens bis morgen.
    Für heute hatte ich die Nase voll von Krankheiten, Tod und Erbe. Denn mit Winter reden hieße über seine sympathische Großnichte reden. Und das Gespräch mit Beate wollte ich erst recht hinauszögern. Nicht wegen des Erbes von Herrn Winter, sondern wegen der Frage, ob und was ich ihr über ihre Angestellten Schwester Renate und Dr. Valenta berichten würde. Oder über die Besuche von Kommissar Czarnowske. Heute abend jedenfalls würde ich mir gemütlich irgendeine Fernsehserie hineinziehen. Alles, nur keine Krankenhausserie.

    Ich hätte es aus Erfahrung wissen müssen: Aus meinem gemütlichen Fernsehabend wurde natürlich nichts. Das war schade, denn amerikanische Serien stellen ein stabilisierendes Element in meinem Leben dar, weil die dargestellten Probleme – die Schwangerschaft der schulpflichtigen Tochter, die Drogenabhängigkeit des bis dahin vielversprechenden Sohnes – innerhalb der zur Verfügung stehenden fünfundvierzig Sendeminuten inklusive Werbeunterbrechungen immer eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung erfahren, was ich tröstlich finde.
    Aber an der Stelle, an der Steve, der jüngste Sohn und vorgesehene Erbe des Firmenimperiums, sich nun endlich für Julia oder für ein weiteres Leben mit Drogen entscheiden mußte, klingelte es an der Tür. Durch den Spion erkannte ich Schwester Renate und meinen Kollegen Valenta.
    »Laß uns rein, Felix, mein Lebensretter und verehrtes Arschloch. Wir haben zu reden«, tönte Valenta in einem Baß, der seine Worte ohne Anstrengung durch das gesamte Treppenhaus trug.
    Mir fehlte die Lust, meine neugierigen Nachbarn an der Geschichte zu beteiligen, und ich ließ die beiden ein.
    »Steve wird Julia nicht heiraten. Nach der nächsten Werbepause wird er sich als Homosexueller outen. Julia wird ein bißchen weinen und sich dann mit Kevin trösten.«
    Wie schaffte es Valenta, neben seinen Patienten auf der Intensivstation und den verschiedenen Börsenplätzen dieser Welt auch noch amerikanische Soaps im Auge zu behalten? Unaufgefordert holte er sich ein Bier aus meinem Kühlschrank und schaltete den Fernseher ab. Dann machte er es sich auf meiner Couch bequem. Renate stand etwas hilflos in der Gegend herum.
    »Stehen wir noch auf deiner Liste der Verdächtigen, Felix?« dröhnte Valenta.
    »Ich fürchte ja«, antwortete ich.
    »In der Tat ziemlich weit oben. Patienten unserer Klinik oder auch ehemalige Patienten unserer Klinik, die keine Angehörigen oder Erben haben, sterben, weil man ihnen lebenswichtige Medikamente wegnimmt. Rententechnisch aber leben sie weiter, und ihre Wohnungen oder Häuser wurden bis zu ihrem Tod vom Immobilienmakler Marske mit erheblichem Profit verhökert. Und als dich unsere Verwaltungsleiterin mit der Überprüfung der Krankengeschichten dieser Patienten beauftragt hat, hast du natürlich nichts Auffälliges gefunden. Und nun sind diese Akten

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