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Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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hinauswollte, zur Sicherheit rundete ich etwas nach unten ab.
    »Und? Sind Sie auf das Geld angewiesen?«
    »Na, ja – ich hatte an einen vernünftigen Wagen gedacht, etwas jünger als mein seliger Golf, vielleicht auch noch vierzehn Tage Karibik.«
    »Also sind Sie nicht wirklich auf das Geld angewiesen. Hören Sie, ich bin Geschäftsmann, das wissen Sie. Also schlage ich Ihnen ein Geschäft vor, ein Hundert-zu-eins-Geschäft: Für jeden Euro, mit dem Sie sich aus dem Erbe Ihrer Tante an dem Projekt beteiligen, stifte ich hundert Euro aus meinem Vermögen. Ihre Tante wäre Feuer und Flamme für die Sache! Wir würden sie natürlich gleichberechtigt auf diese Stifterplakette nehmen. Was sagen Sie dazu?«
    Winter spürte wohl, daß sich meine Begeisterung über den Verzicht auf einen anständigen Wagen und vierzehn Tage Karibik in Grenzen hielt.
    »Sie hatten doch nicht wirklich mit dem Geld Ihrer Tante gerechnet, Doktor. Da ist es auch kein richtiger Verlust. Und, denken Sie einmal nach. Meinen Sie nicht, in irgendeinem Winkel Ihres Gewissens, Sie hätten sich vielleicht mehr um Ihre Frau Tante kümmern sollen, als Sie es tatsächlich taten? Wenn das so sein sollte, wie können Sie dann das ererbte Geld annehmen?«
    Natürlich hatte ich Winter gegenüber nie erwähnt, daß ich mich vielleicht mehr um Tante Hilde hätte kümmern sollen, ebensowenig wie ich Margitta etwas davon gesagt hatte. Jetzt begriff ich, warum sowohl Winter wie auch Margitta erfolgreiche Geschäftsleute waren. Jeder, der sich so gut in die Denkstrukturen und Motivationen seines Gegenübers versetzen konnte, mußte erfolgreich sein. Und ich kapierte, daß ein neuer Wagen und vierzehn Tage Karibik eben gerade gestrichen worden waren.

    Am Abend ließ es sich nicht länger aufschieben, ich startete meinen dritten Anlauf zum Krankenbesuch beim Kollegen Valenta. Unverändert mit einem schlechten Gefühl im Bauch, denn nach wie vor gab ich mir die Schuld an seinem Infarkt, und seit Renates Hinweis, daß er sein Wochenendhaus in der märkischen Schweiz längst verkauft habe, fehlte auch ein wichtiger Baustein in meiner ohnehin etwas löchrigen Indizienkette gegen ihn. Dieses Mal hatte ich kein Glück, keine Renate oder andere Gäste an seinem Bett gaben mir eine Ausrede, den Besuch erneut zu vertagen.
    Valenta saß an der Bettkante, vor sich seinen Laptop mit direktem Kontakt zu seinem Online-Broker. Der Infarkt war jetzt fünf Tage her, Komplikationen waren ausgeblieben, also gab es eigentlich keinen Grund für ihn, immer noch Patient auf der Intensivstation zu sein. Aber, argumentierte er, nur in der Hektik der Intensivstation könne er Ruhe finden, ein schallgeschütztes Patientenzimmer würde ihn aufregen. In Wahrheit ging es natürlich darum, daß er von seinem Bett aus weiter die Station leitete. Die Überzeugung, wenigstens auf bestimmten Gebieten die größte Kompetenz zu besitzen, gehört wohl irgendwie zum Arzt-Sein.
    Ich setzte mich auf sein Bett und trug meinen Spruch vor. Daß es mir leid täte, daß ich froh sei, daß er den Infarkt so gut überstanden hatte und so weiter.
    »Mach dir nicht ins Hemd, Felix. Du weißt, daß ich dir dankbar sein muß. Nicht nur für die Reanimation, auch für den Infarkt. Oder denkst du, es wäre besser gewesen, wenn es mich nächste Woche auf der Autobahn erwischt hätte oder weiß ich wo? Hätte mir da auch jemand die Kranzarterie sofort wieder aufblasen können?«
    Natürlich nicht. Valenta spielte darauf an, daß ein Herzinfarkt zwar für fast die Hälfte der Patienten ohne Vorwarnung aus heiterem Himmel kommt, tatsächlich aber so gut wie immer die Herzkranzarterie, die sich beim Infarkt plötzlich verschließt, bereits längere Zeit hochgradig verengt ist und als Zeitbombe im Körper tickt. So gesehen, hatte Valenta wirklich Glück gehabt.
    »Nein, mein Lieber, ich verdanke dir mein Leben. Das werde ich auch nicht vergessen.« Er wandte sich mir jetzt voll zu. »Eine Sache verstehe ich allerdings nicht. Wenn ich wirklich so ein kriminelles Schwein bin, wie du denkst, warum hast du dir dann soviel Mühe mit meiner Wiederbelebung gegeben?«
    »Ich halte nicht so viel von der Todesstrafe, Heinz. Außer für die Leute, die letztes Jahr mein Fahrrad geklaut haben. Außerdem, ich bin nicht Gott oder sein Stellvertreter auf Erden. Wir sind Ärzte, nicht Richter. Du kennst unsere Reflexe.«
    Valenta wußte, was ich meinte, erst recht als Intensivarzt. Für den Arzt ist die Wiederbelebung eine Reflexhandlung.

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