Department 19 – Die Mission
sagte Larissa leise, und er drehte sich zu ihr um. »Wir müssen weiter. Du kannst ihm nicht mehr helfen.«
Er folgte ihr hinaus in den Gang, und gemeinsam umrundeten sie die letzte Ecke. Auf dem Boden vor ihnen hatte jemand mit Blut einen großen Pfeil aufgemalt. Er zeigte in die Richtung, in die sie ohnehin wollten. Zwei Worte standen darunter:
Hier entlang
Unbändiger Hass brodelte in Jamies Brust auf, Hass auf Alexandru und alle anderen von seiner Art, ein Hass, der so heiß brannte, dass er glaubte, in Flammen aufgehen zu müssen.
»Hält er das etwa für ein verdammtes Spiel?«, zischte er.
Larissa packte seinen Arm. »Es ist ein Spiel«, sagte sie. »Für ihn ist alles nur ein Spiel. Ilyana, dein Vater, deine Mutter, das sind bloß Details. Gewalt und Schmerz und Elend, das sind die Dinge, die er liebt. Vergiss das nicht, wenn du vor ihm stehst.«
Ein Ruf hallte durch den Gang, und Jamie leuchtete mit seiner Taschenlampe in die Richtung, aus der er gekommen war. Von der anderen Seite näherten sich Morris, McBride und Kate. Jamie und Larissa gingen ihnen entgegen. Vor einer großen Tür traf das Team wieder zusammen.
»Was habt ihr gefunden?«, wollte Jamie wissen.
»Später«, erwiderte McBride mit bleichem, angespanntem Gesicht, und Jamie nickte.
Sie standen vor der großen Tür, alle fünf, mit Jamie in der Mitte.
Das ist es. Ganz egal, was hinter dieser Tür wartet, du verlässt diesen Ort nicht ohne sie. Du wirst dafür sorgen, dass sie stolz auf dich ist.
»Bist du bereit?«, fragte Morris.
Jamie atmete tief durch.
»Ja«, sagte er und stieß die Tür auf.
Doch er war ganz und gar nicht bereit.
45
Die Wahrheit tut weh
Alexandru Rusmanov saß auf einem Holzstuhl, der so kunstvoll geschnitzt war, dass er wirkte wie ein Thron.
Der Stuhl stand auf einem steinernen Podest im hinteren Teil der Kapelle, dem Eingang direkt gegenüber. Dahinter erhob sich ein gewaltiges Kreuz vor einem hohen Bleiglasfenster mit Blick auf die graue Nordsee, die dreißig Meter tiefer gegen die Klippen schlug.
Auf dem Steinboden lag ein zerbrochenes Lesepult, von dem aus der Abt vermutlich die Messe für die Mönche gelesen hatte.
Ein langer Esstisch war mit der gleichen Achtlosigkeit behandelt worden. Er lag zerschmettert an einer der langen Seitenwände, umgeben von den einfachen Hockern, auf denen ganze Generationen von Mönchen gesessen hatten. In kleinen Alkoven hoch oben in der Wand standen einfache Heiligenstatuen und blickten mit ausdruckslosen Gesichtern in die jetzt leere Mitte der Kapelle hinunter.
Dann sah Jamie sie.
Seine Mutter.
Marie Carpenter stand zu Alexandrus Linken, das Gesicht bleich und gezeichnet.
»Mum!«, rief er. Er konnte nicht anders.
Sie lebt! Sie ist noch am Leben! O Gott, danke! Danke!
Beim Klang seiner Stimme leuchteten ihre Augen, und in ihrem Blick lag so viel Liebe, dass er glaubte, sein Herz müsste zerspringen. Sie hatte nicht gleich erkannt, dass sich unter den Neuankömmlingen in der Kapelle auch ihr Sohn befand, doch noch während die Erleichterung sie durchflutete, weil er noch am Leben war, weil ihr Jamie noch lebte, schrie sie ihm auch schon die Warnung zu, nicht näher zu kommen, wegzubleiben, um sein Leben zu laufen.
»Hör auf das, was deine Mutter sagt, Junge«, empfahl Alexandru mit warmer, freundlicher Stimme und breitete die Arme aus.
Jamie war unbewusst einen Schritt vorgetreten und hielt nun inne. Sein Blick schweifte über das Steinpodest hinter Alexandrus ausgebreiteten Armen, und seine Zuversicht schwand.
Dort standen mehr als dreißig Vampire schweigend in einer lockeren Reihe. Zu Alexandrus Rechten erkannte Jamie Anderson, den riesigen Vampir mit dem Kindergesicht. Seine gewaltigen Schultern sahen aus wie eine Gebirgskette, gigantisch und völlig verwachsen. Er trug einen schwarzen Mantel, der bis fast zum Boden reichte. Hinter ihm und hinter Jamies Mutter sah der Teenager Vampire jeden Alters und jeden Geschlechts. Eine Vampirfrau von vielleicht sechzig Jahren in einem schicken Hosenanzug stand neben einem klapperdürren Jungen in Jamies Alter, der nichts weiter trug als ein Paar abgerissener Jeans. Seine Rippen waren deutlich zu erkennen, und seine Augen lagen tief in den Höhlen. Neben Jamies Mutter stand ein fetter rotgesichtiger Kerl in einem glänzenden grauen Anzug. Er schwitzte und starrte Marie Carpenter auf eine Weise an, dass Jamie ihm am liebsten die Augen herausgerissen hätte. Die Vampire sahen voller Verachtung auf Jamie und seine
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