Depeche Mode
gehe raus und stelle mich vor die Tür. Im Prinzip, – denke ich, – können sie auch ohne Vorwarnung schießen. Im Gebäude knallt wieder ein Schuß. Ich gehe zum Tor, mache die Pforte auf und fahre heim.
8.30
An der Endstation des Achtunddreißigers steht Wasja Kommunist, steht bei den Kiosken und hält seine Jeans mit den Händen fest. Hi, sage ich, was ist denn mit dir los? Also, – sagt Wasja, – hab meinen Zug verpaßt. Wo sind deine Schnürsenkel? Ach, – sage ich, – verloren. Alles klar, – sagt Wasja. – Soll'n wir was trinken? Okay, – sage ich, – ich hab aber keine Knete. Mykola Iwanowytsch hat mir alles weggenommen. Was für ein Mykola Iwanowytsch? – fragt Wasja. Plattkin, – sage ich. Was? Plattkin. Alles klar, – sagt Wasja. Los laß uns gehen, ich hab Geld. Wonach riechst du? – fragt er wieder. – Nach Kognak? – Nach Wanze, – sage ich. Was für Wanzen? Das ist eine lange Geschichte, – sage ich. Alles klar, – sagt Wasja.
Wie läuft dein Geschäft? – frage ich, nachdem wir uns schon eingedeckt haben. Ach, – sagt Wasja, überhaupt nicht. Hab's aufgegeben. Was war denn? – frage ich. Verstehst du, – sagt Wasja, – in diesem Land kann man keine ehrlichen Geschäfte machen. Außerdem schwankt dieser scheiß Dollar wie blöd. Alles klar, – sage ich.
8.47
Daheim finden wir unseren Freund Dog Pawlow. Hi, sagt Dog, als ob nichts wäre. – Habt ihr was zum Saufen? Ja, Dog, – sagt Wasja, – haben wir. Was denn? – Er schnüffelt, – Kognak? Drink&Fuck – sage ich, – wo warst du? Beim Fußball, – sagt Dog, – wir haben gestern den ganzen Abend da rumgehockt, es war öde. Los, jetzt machen wir es uns daheim gemütlich, wir haben uns verdammt lange nicht gesehen, es gibt ne Menge zu erzählen.
– Dog, frage ich, – wie haben sie denn gespielt?
– Wer hat gespielt? – Dog versteht nicht.
Erster Teil
WER SOLL ALS ERSTER STERBEN
9.15
Diese lyrische Erzählung beginnt damit, daß vor unserer Tür ein Kerl im blauen Regenmantel auftaucht, mit Plaste-Aktenkoffer, lange an einem Zettel herumfingert, nachschaut, ob die Adresse stimmt, ob er hier richtig ist, ob ihn auch keiner verarscht hat, kurz – ein öder, verklemmter Kerl, dazu der Aktenkoffer – keine Ahnung, woher solche Leute kommen und wohin man sie dann wieder verschwinden läßt. Endlich faßt er Mut, klopft, tritt ein und sieht uns – mich, Wasja Kommunist und unseren Freund Dog, wir riechen nach Morgensuff und Abendkotze, mit einem Wort, der Beginn eines Werktags, der Kerl fingert wieder an dem Zettel rum, wer bist du? – fragt Dog, von uns dreien fürchtet er sich am meisten, denn nach seinem gestrigen Auftritt, als er wie ein Fisch den ungelenken Händen von Wowa und Wolodja entschlüpft ist, sind Unannehmlichkeiten zu erwarten, die direkt auf seinen kurzgeschorenen Kopf niedergehen werden, er denkt also, was, wenn er mich holen kommt, einer aus der Redaktion, ein Killer vielleicht, wer weiß, wer alles für diese Schwulen arbeitet, die Zeitung floriert, natürlich könnten die sich stundenweise einen Berufskiller mieten, einen ehemaligen Akademiker, gestern hat er noch als Ingenieur am Institut gearbeitet, dann Pleite und Arbeitslosigkeit, das große Land bricht in Stücke, also verdient er sich als Killer was dazu, Dog geht der Arsch auf Grundeis, klar, und Schweigen legt sich über den Raum.
– Ich heiße Robert. Onkel Robert, – sagt der Kerl und steckt endlich den Zettel weg. – Wo ist Sascha?
– Was für eine Sascha? – frage ich. Vielleicht hab ich was verpaßt, und bei uns hat sich schon irgendeine Sascha eingenistet. Dann ist der Killer hinter uns allen her.
– Sascha, der soll doch mit euch zusammenwohnen. Hier ist doch … – sagt er, holt wieder den Zettel hervor und fingert nervös daran herum.
Er? – denke ich, – ist sie vielleicht ein Hermaphrodit, diese Sascha?
– Also, Sascha, – insistiert Onkel Robert. – Er hat daheim diese Adresse hinterlassen, gesagt, daß er hier wohnt. Von euch hat er auch erzählt, also, euch beschrieben, genau so hab ich mir euch vorgestellt, – sagt er und lächelt freundlich.
Genau so? – denke ich. – Wie denn? Versifft?
– Ah, – Dog kapiert als erster. – Er redet von Zündkerze, von Sascha.
– Ach so, genau, – alle atmen auf, wie sich herausstellt, gab's hier also überhaupt keine Sascha, das ist schon mal gut. Und dieser scheiß Onkel Robert ist anscheinend auch kein
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