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Depeche Mode

Depeche Mode

Titel: Depeche Mode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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ihnen in die Augen schauen, was wirst du sagen, sie werden dich doch nicht verstehen, sie verstehen sowieso keinen, überhaupt keinen.
     
    20.00
    – Was willst du werden?
    – Lehrer.
    – Was für ein Lehrer denn? Bist doch total besoffen.
     
    Also, ich muß irgendwie hier weg, dieses Arschloch wird mich bestimmt erschießen. Offenbar hab ich mich geirrt. Faschisten darf man nie vertrauen, sie verraten dich so oder so.
     
    – Sagen Sie, wie heißen Sie eigentlich?
    – Ich? Hm. Mykola Iwanowytsch. Mykola Iwanowytsch Plattkin.
    – Wie bitte?
    – Plattkin.
    – Darf ich Sie einfach Mykola Iwanowytsch nennen?
    – Nur zu.
    – Mykola Iwanowytsch …
    – Was?
    – Verstehen Sie, ich trinke prinzipiell nicht.
    – Das sehe ich.
    – Wirklich. Ich trinke nicht. Im Prinzip.
    – Warum hast du dich dann so abgefüllt?
    – Mykola Iwanowytsch, verstehen Sie … Mein Dekan.
    – Was ist mit deinem Dekan?
    – Na, er hat heute Geburtstag, verstehen Sie?
    – Und die ganze Fakultät hat gebechert oder was?
    – Nein, natürlich nicht. Er hat uns nur gebeten, ihm beim Umzug zu helfen. Ins neue Labor.
    – Was für ein Labor?
    – Ein neues. Beim Umzug. Also, Sachen rübertragen, Geräte.
    – Geräte?
    – Also, Kolben.
    – Was für Kolben?
    – So Kolben halt, verstehen Sie, – ich versuche ihm zu erklären, wie ein Kolben aussieht, kann mich aber selbst nicht mehr richtig erinnern.
    – Na und?
    – Wir studieren Chemie.
    – Das sehe ich.
    – Ehrlich. Wissen Sie, es gibt unterschiedliche Kolben und so … (wie komme ich nur auf diese Kolben?) – Mykola Iwanowytsch …
    – Hm?
    – Haben Sie Kinder?
    – Ja, – sagt Mykola Iwanowytsch und rückt seinen Nazi- Kittel zurecht. – Einen Sohn. Genau so ein Scheißkerl wie du. – Mykola Iwanowytsch entspannt sich offenbar. – Hat angefangen, Klebstoff zu schnüffeln, der Arsch. Kürzlich schaue ich in den Schrank.
    – In den Schrank? – Ich verstehe ihn nicht.
    – Dort sind MEINE Sachen, verstehst du? Also ich schau rein – und der Klebstoff ist weg, ich zu ihm – du Scheißkerl, sage ich, früher hast du MEINE Zigaretten geraucht, jetzt schnüffelst du MEINEN Klebstoff?
    – Ihren Klebstoff? – Ich verstehe ihn irgendwie überhaupt nicht. Was erzählt er bloß?
    – Ich habe ihn zum Renovieren gekauft, – Mykola Iwanowytsch ist beleidigt. – Zum Renovieren, klar? Wie kann ich jetzt renovieren, ohne Klebstoff?
    – Ja, – sage ich.
    – Und warum hast du dich vollgekotzt?
    – Ich weiß nicht, Mykola Iwanowytsch, es ist was mit meiner Nase in der letzten Zeit. Ich schlafe schlecht, bekomme keine Luft im Schlaf. Dann muß ich kotzen.
    – Es sind die Mandeln.
    – Glauben Sie?
    – Ganz bestimmt. Die Mandeln. Du mußt sie dir rausnehmen lassen.
    – Rausnehmen?
    – Ja.
    – Aha, – sage ich. – Wieso soll ich sie mir rausnehmen lassen? Was bleibt dann übrig? Vielleicht sind die Mandeln überhaupt das Beste, was ich habe.
    – Ach, mein Junge. Was soll ich bloß mit dir machen?
    – Mykola Iwanowytsch …
    – Was?
    – Lassen Sie mich laufen. Ich tu's nicht wieder.
    – Wohin soll ich dich laufen lassen? In diesem Zustand wirst du in fünf Minuten wieder aufgegriffen. Dasselbe Paar schwule Socken, das dich hier angeschleppt hat, wird dich wieder aufsammeln. Sie sind jung, für sie ist es wie ein feindliches Flugzeug abschießen – danach kann man sich ein neues Sternchen auf den Rumpf malen. Bleib hier. Hier bist du am sichersten. Also, wo sind MEINE Schlüssel, vorwärts, bis morgen wirst du eingesperrt.
    – In der Gaskammer?
     
    20.30
    Es ist dunkel in der Zelle, an der Wand zwei Pritschen, auf einer liegt ein Typ in Lederjacke, zwischen den Pritschen ein vergittertes Fenster, Mykola Iwanowytsch nimmt mir den Gürtel und die Schnürsenkel ab und läßt mich im Dunkeln zurück. Ich stürze sofort zum Fenster, das kann nicht sein, – denke ich, – daß man von hier nicht abhauen kann, aus jeder Gaskammer kann man abhauen, also auch aus dieser. Was machst du? fragt der Typ und knarzt im Dunkeln mit seiner Lederjacke, also, sage ich, ich will hier raus, aha, sagt der Typ, grab doch nen Tunnel. Das heißt, – sage ich, – hier kommt man gar nicht raus? Nein, – sagt er, – gar nicht. Höchstens durch einen Tunnel. Woher weißt du das? – frage ich. Ich, – sagt er, – hab schon vor dreieinhalb Jahren in dieser Zelle gesessen, als sie mich zum ersten Mal geschnappt haben. Oho, – sage ich, – du gehörst hier also dazu? Paß auf, was du da

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