Depeche Mode
keine Kugellager, – flüstert Tschapaj. – Und wenn, dann bewahrt er sie nicht im Büro des Parteikomitees auf. Dort ist Knete. Oder Stereoanlagen. Die Sau hat sogar das Schloß austauschen lassen.
– Das Schloß?
– Das Schloß.
– Und wie wollen wir dann reinkommen? – Ich verstehe nicht.
– Übers Dach, – sagt Tschapaj. – Ich weiß wie. Wir müssen aber los, solange es hell ist, und dann bis zwei oder drei nachts auf dem Dach sitzen. Wenn der Wächter seine Runde gemacht hat, schlagen wir zu. Alles sauber, keine Spuren.
– Er wird dich doch sofort verdächtigen, – sage ich.
– Ich habe ein Alibi, – sagt Tschapaj.
– In Wirklichkeit hat er Tripper, – flüstert Dog mir zu und denkt, Tschapaj hört ihn nicht.
20.45
Wir entschließen uns zu gehen. Ohne Wasja. Wie wär's – sage ich: Wasja bleibt hier, auf Posten sozusagen, verstehst du? Im Prinzip gehört er dazu und wir zählen ihn mit, aber er bleibt hier auf Posten. Da dreht sich Wasja auf die andere Seite und fällt vom Stuhl. Wir heben seinen erschöpften Körper auf und legen ihn auf die Liege, ich schaue mißtrauisch auf Tschapajs Bettzeug, wir müssen ja weiter mit Wasja in einem Zimmer wohnen, nicht daß er sich was fängt, na, wird schon nichts passieren, denke ich, und wir gehen.
Tschapaj führt uns durch die abendliche Fabrik, durch halbverfallene Werkshallen, wo Ratten laufen und Vögel fliegen, ein richtiges Naturschutzgebiet, Dog tritt auf irgendwelchen Metallscheiß, der dumpf dröhnt, still, zischt Tschapaj, Vorsicht, er führt uns durch Korridore, auf dem Boden liegen alte Zeitungen und Fetzen von Schutzkleidung herum, dann gehen wir direkt am Zaun entlang, Vorsicht, sagt Tschapaj, was ist? fragen wir alarmiert, nicht berühren, erklärt Tschapaj knapp, vorsichtig laufen wir am Stacheldraht vorbei, der den Zaun entlang gespannt ist, dann stehen wir vor einem vierstöckigen Backsteingebäude mit neuem Wellblechdach. So, sagt Tschapaj, hier ist das Parteikomitee. Laßt uns reinklettern.
Tschapaj klettert zuerst, weil er ja den Weg kennt. Vorher zieht er seine billigen Turnschuhe aus und stopft sie in die Taschen seiner Trainingshose. Was machst du da? sage ich, ist bequemer, sagt Tschapaj, also los, und er packt den untersten Ast des Baumes direkt an der Mauer, zieht sich mit einem Ruck hoch, setzt sich, dann steht er auf und klettert weiter, alles klar, ruft er uns von irgendwo dort zu, was? fragen wir, alles klar sage ich, wiederholt Tschapaj, da kracht der Ast unter ihm, und er fliegt uns direkt auf den Kopf, ich kann gerade noch zur Seite springen, und Dog hätte er sowieso verfehlt, ach, Tschapaj klopft sich die Kleider ab, fast hätt' ich's geschafft, jetzt du, – sagt er zu mir, jaja, sage ich, klar, das hat mir gerade noch gefehlt, aus dem dritten Stock auf diese ganze Scheiße hier zu plumpsen, sage ich, laß uns lieber einen anderen Weg suchen. Na gut, sagt Tschapaj, okay. Wir können auch einfach die Tür nehmen. Wie – ist nicht abgeschlossen? frage ich. Ich hab einen Schlüssel, erklärt Tschapaj, hab ihn mir nachgemacht. Und warum, frage ich beleidigt, willst du uns dann zwingen, auf diesen beschissenen Baum zu klettern? Hab gedacht, so macht's mehr Spaß, – sagt Tschapaj und geht voran zum Eingang. Eilig überqueren wir einen kleinen Vorplatz, wirklich alles menschenleer, aber wenn ich recht verstehe, kann der Werkschutz jederzeit auftauchen, Tschapaj schließt schnell die Tür auf, und wir verschwinden im Gebäude. Also, sagt Tschapaj aufgeregt, jetzt rauf, dort warten wir, bis es dunkel wird, wenn die zwei vom Werkschutz vorbei sind, brechen wir ins Partkom ein. Vielleicht hast du auch die Schlüssel zum Partkom? frage ich hoffnungsvoll, vielleicht müssen wir gar nichts kaputt machen? Ich hatte sie, sagt Tschapaj, aber dieser Arsch hat das Schloß ausgewechselt. Was glaubt ihr denn, warum ich euch mitgenommen habe – allein kann ich die Tür nicht aufbrechen. Hm, sage ich, und ich hab gedacht, weil wir Freunde sind. Verdammter Trotzkist, flüstert Dog. Schluß, – sagt Tschapaj energisch, gehen wir rauf, und wenn der Werkschutz da war, brechen wir die Tür auf und nichts wie weg, sie kommen erst frühmorgens wieder.
Und wir gehen wirklich rauf bis zum Treppenabsatz im dritten Stock, Tschapaj fummelt am Schloß rum, macht die Tür auf, und wir treten raus aufs Dach, und unvermittelt sehen wir:
21.00
Im Westen ein Bündel orangeroter Schienen, sie ziehen sich vom Bahnhof her, der
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