Depeche Mode
mir einen neuen Joint, aber ich tauche schon meinem Freund Wasja hinterher und sehe, wie Wasja immer tiefer und tiefer sinkt, er stößt sich mit Händen und Füßen vom schweren dunkelblauen Wasser ab, ich aber sehe nur die verschlissenen Sohlen seiner alten Turnschuhe, schwimme ihnen hinterher und höre schon von drüben
Das Leben ist wie eine Weltraumrakete, wenn du reingeklettert bist, dann solltest du jetzt einfach still sitzen und nichts berühren, und sei darauf gefaßt, daß sich alles radikal verändert. Kinder wirst du jedenfalls keine kriegen. Und überhaupt, auch keinen normalen Sex. Das mußt du dir von Anfang an klarmachen – entweder Sex oder Kosmos, echt keine einfache Wahl, weil kein Fick auf der Welt, auch nicht der geilste, das Große und Wunderbare aufwiegt, das sich dir im Bullauge deines Blechraumschiffes eröffnet, manche Ausblicke, manche Landschaften sind es wert, daß du sie mit dem Kostbarsten bezahlst, was du eben hast – nämlich mit der Erektion, aber um das zu kapieren, mußt du mindestens Astronaut sein oder im Notfall Engel, was in der Zeit des Zerfalls des Kapitals scheißegal ist.
– Eins versteh ich nicht, – sage ich im Schlaf, – warum permanenter Piep-Schnurzismus?
– Weil alles, – sagt Tschapaj und lächelt mich von jenseits der transgalaktischen Strahlen glücklich an, – schnurzpiepegal ist: Knete, Planwirtschaft, Investoren, Ministerien, – er kommt offensichtlich in Fahrt, – Staat, transnationale Konzerne, Kapitalverschmelzung, Einflußsphären, Osterweiterung der Märkte – alles schnurzpiepegal.
– Frieden im Weltraum, – fügt Wasja hinzu.
– Unbedingt, – sagt Tschapaj ernst, und alle verstummen.
20.30
Irgendwo ganz weit weg, im Osten der Republik, direkt an der Staatsgrenze, duftet der Himmel nach Morgenwald, duftet ganz eigenartig nach Zeltplane und Kiefernzweigen, die ihre schweren Pfoten auf diese Zelte legen. Ich gehe einen unendlich langen Waldweg entlang, links und rechts hohe und warme Kiefern, die mit ihrem Atem den Sand erwärmen, die Luft, den samstäglichen Morgenwald, die ab und zu vorbeifliegenden Vögel, überhaupt den ganzen Himmel und offensichtlich auch die Staatsgrenze – Kiefern sind so was wie Akkus, die Wurzeln geschlagen haben hier am Fluß, der Fluß ist links zwischen den Baumstämmen zu sehen, wir gehen am Fluß entlang, flußaufwärts, gegen den Strom, ich bin sechs, mag den Wald und den Fluß, mag vor allem das Wochenende, das ist am wichtigsten, ich verstehe sehr wohl, daß Kiefern am Wochenende besonders warm sind und der Himmel besonders friedlich. Ich trage ein blödes T-Shirt, blöde Shorts und verstaubte Sandalen, mit denen ich Kiefernzapfen kicke und dabei kleine Wolken von Morgenstaub aufwirble, da aber dreht sich meine Freundin zu mir um und sagt, ich soll mich beruhigen und damit aufhören. Meine Freundin ist sechzehn, hat sich bereit erklärt, mit mir spazierenzugehen, vielmehr haben meine Eltern sie darum gebeten, die mit ihren Eltern befreundet sind, sie sind am Flußstrand sitzengeblieben und machen Salate aus frischem feuchtem Gemüse, schwimmen im morgendlichen Fluß, das ganze Wochenende vor sich, machen also ihre langweiligen Erwachsenensachen, ich aber habe zwischen den Kiefern einen Pfad entdeckt, zugegeben, ziemlich lustlos führt mich meine Freundin darauf entlang, damit ich endlich laufen kann, das Maul halte und keinem mehr auf den Wecker gehe, obwohl sie mich mag, das heißt, eigentlich bin ich es, der sich die ganze Zeit an sie ranschmeißt, sie aber hält sich ziemlich wacker und meckert nicht besonders an mir rum – nur Kleinigkeiten, daß ich keinen Staub aufwirbeln, nicht ihre Hand nehmen, mich also nicht wie ein Spasti aufführen soll. Ich mag den Sand unter den Füßen, mag das nasse Gras auf dem Sand, mag die Kiefern, in denen erregt die Elektronen strömen, mag die lauten, sorglosen Vögel auf den hohen Kiefernzweigen, mag den Himmel, weil er sich weit hinzieht und niemals endet, das mag ich am meisten, ich liebe es, wenn etwas niemals aufhört, und der Himmel ist genau das, ich mag es, daß auch dieser Weg niemals zu Ende geht, sich unendlich flußaufwärts zieht, mal näher am Wasser, mal ganz hinter den Stämmen verschwindend, endlich reicht es meiner Freundin, okay, sagt sie, laß uns baden und dann zurück, ich versuche, ihr noch einen halben Kilometer abzuschmeicheln, sie aber sagt – Schluß, baden und zurück, und damit muß ich mich abfinden. Sie verläßt den
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