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Depeche Mode

Depeche Mode

Titel: Depeche Mode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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dunkel weiter rechts steht, und leuchten in der Sonne, die Sonne hängt in der Gegend des Kalten Bergs, klasse, sage ich, an deiner Stelle würde ich hierherziehen – sage ich zu Tschapaj, und du hast dich in deinem Kabuff verbarrikadiert und frißt allen möglichen Industriescheiß, Tschapaj räuspert sich verwirrt, bewahrt aber Haltung, siehst du, er zeigt nach links, was ist das? frage ich und betrachte ein seltsames Gelände, zugemüllt mit Eisen, Autos, Beton, Röhren und anderem lächerlichem Zeug, Fabriken, sagt Tschapaj, die meisten sind stillgelegt, verstehst du, sie arbeiten nicht, aber früher schon? frage ich zur Sicherheit, denn ich kenne diese Gegend kaum, früher hat alles gearbeitet, ja, sage ich und blicke weiter auf die Schienen, die langsam verlöschen und dunkel werden, vom Bahnhof her kriecht ein endloser Güterzug mit Holz, er zockelt nach Süden, was ist da? Dog zeigt in Richtung Güterzug, dort ist Süden, sage ich, siehst du die Sonne über dem Kalten Berg, also ist dort Westen, und der Güterzug fährt nach Süden, ans Meer, warst du schon mal am Meer? frage ich Dog, am Meer? fragt er zurück, nein, ich war noch nie am Meer, im Sommer fahr ich immer an den Stausee, klar, sage ich, klar, du an den Stausee und die Güterzüge ans Meer, mit Holz, wozu brauchen die am Meer Holz? fragt Dog, weiß nicht, sage ich, bauen die vielleicht was? fragt Dog, eine Flotte, – sagt Tschapaj unerwartet und ein bißchen daneben.
    Dog schaut die Sonne an, die schon auf dem Kalten Berg zerfließt, und sagt – wenn ich groß bin, geh ich auf jeden Fall hier weg, ja? frage ich, und wohin? keine Ahnung, sagt Dog, nach Süden, ans Meer, gehe zur Marine, jetzt kann ich nicht von meinen Eltern weg, verstehst du, sie sind schon alt, muß mich ein bißchen um sie kümmern, aber in ein paar Jahren geh ich auf jeden Fall weg, mir gefällt's hier nicht – keine Arbeit, keine Knete, hohe Preise, ich wart noch ein paar Jahre, und dann ab in den Süden. Überleb erst mal die nächsten zwei Jahre, – sage ich zu ihm und setze mich auf das sonnenwarme Dach.
     
    21.30
    Tschapaj sagt, wir sollen hier sitzenbleiben, hier sieht uns keiner, selbst wenn der Werkschutz im Partkom nachschaut, hoch aufs Dach kommen sie bestimmt nicht, bleiben wir also ein paar Stunden sitzen und gehen dann runter, im Dunkeln wäre es nicht so leicht gewesen, unbemerkt hierherzukommen, hab mir alles genau überlegt, sagt Tschapaj, heute werden wir die fetten Kapitalistensäue ficken, damit sie sich nicht überfressen beim Ausbeuten der sowieso abgefuckten proletarischen Massen, wir pflichten ihm bei – klar, abgefuckt, wirklich abgefuckt, von mir aus, wir sitzen und schweigen, und ich sage, wo wohl Zündkerze jetzt ist, vielleicht längst daheim, sitzt da und läßt die warme Asche seines Stiefvaters von einer Hand in die andere rieseln, und wir suchen ihn und finden ihn nicht, ja, sagt Dog leise – hier können wir lange suchen.
     
    22.15
    Es fängt an zu regnen, morgens war es mild und sonnig, die Luft wurde warm, das Dach hier wurde warm, ich dachte – endlich, der Sommer hat angefangen, und jetzt wieder – Regen, nicht stark zwar – er tröpfelt vor sich hin, benetzt das Territorium, aber es ist trotzdem unangenehm, besonders wenn du von Stacheldraht eingeschnürt mitten in einem feindlichen Fabrikgelände auf dem Dach eines dreistöckigen Gebäudes sitzt, dann macht es nicht wirklich Spaß, ich ziehe mir meine alte Jeansjacke über den Kopf und versuche zu schlafen, hat wenigstens einer ne Uhr, frage ich noch, wir orientieren uns an den Sternen, meint Tschapaj, Arschloch, sagt Dog in seine Richtung, lehnt sich mit der Schulter an mich, und wir versuchen zu schlafen. Von Zeit zu Zeit höre ich vom Bahnhof her die Güterzüge, sogar die Ansagen sind zu verstehen, nicht vom Bahnhof selbst, aber vom Abstellgleis, irgendwelche internen Ansagen, super intern, offensichtlich kommunizieren sie nur über die scheiß Lautsprecher miteinander, haben eine andere Vorstellung von Raum und Entfernung, ich aber stürze in meinen Traum, tauche wieder auf wie aus dem Schatten in die Sonne, versinke wie in schwarzem warmem Schnee, rabenschwarz, aber davon eben auch warm, ich überlege, was Jurik wohl gerade macht, woran er denkt in seinem Palast, sein gekreuzigter Jesus war vergoldet und das Kreuz grün. Cool, denke ich, vielleicht ist Jesus bei allen Roma vergoldet, vielleicht glauben sie anders, glauben, daß Jesus wirklich vergoldet ist, das würde

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