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Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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sollten — der letzte sogar schon vier Tage vorher.
    Die Polizei hat nun genug Anhaltspunkte, um eine plausible Theorie aufzustellen: Der Tunnel, der gut 100 Meter außerhalb der Gefängnismauer ins Freie mündet, kann nicht in ein paar Tagen gegraben worden sein. Das hier ist eine professionelle Arbeit, ein rundum ausgemauerter Gang. Da war ein Bautrupp mit Maschinen am Werk. Eine derartige Arbeit kann man aber nicht zustande bringen, ohne daß die Aufseher etwas merken. Erstens macht es zu viel Krach, zweitens wohin mit der ausgebuddelten Erde? Es gibt nur eine Erklärung: das Gefängnis wurde vor zehn Jahren gebaut, 1947: Nur zu diesem Zeitpunkt kann der Tunnel entstanden sein. Er wurde von Anfang an geplant. Man muß unbedingt den Architekten finden — einen gewissen Miguel Sardo, der übrigens nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes noch immer in Calabares wohnhaft ist. Bedauerlicherweise ist er aber seit dem Erdbeben nicht mehr gesehen worden. Es dauert allerdings nur wenige Tage, bis die Polizei ihn in einem Hotel in Caracas aufspürt.
    Er ist um die 50, ein magerer, fast schwächlicher kleiner Mann mit nußbrauner Haut. Zuerst leugnet er vehement, aber nicht lange. Bald bricht er zusammen und legt ein lückenloses, verblüffendes Geständnis ab:
    »Als ich den Bauauftrag für das neue Gefängnis bekam, wußte ich gleich: das ist eine Goldmine! Ich brauchte nur einen unterirdischen Verbindungsgang zwischen der Todeszelle und der Außenwelt anzulegen. Und ich habe ihn so geplant und gebaut, daß niemand ihn je entdecken könnte. Mit einem Erdbeben konnte ich nicht rechnen! Als Rodrigo Lopez zum Tode verurteilt wurde, habe ich gejubelt! Die Beute war nie gefunden worden, das hatte ich in der Zeitung gelesen. Am Morgen der Hinrichtung bin ich also zum ersten Mal durch meinen Tunnel gegangen, bis zur Todeszelle und habe mit dem Hebemechanismus den Boden der Zelle von unten geöffnet. Lopez ist vor Schreck beinahe ohnmächtig geworden, als er mich gesehen hat. Aber er war ohnehin schon halbtot vor Angst. Das Erschießungskommando stand bereits im Hof! Es war nicht schwer für mich, ihn zu überreden, mit mir zu verschwinden. Ich habe ihm nur gesagt: »Sie werden dich gleich holen, in einer halben Stunde bist du tot. Wenn du willst... kann ich dich retten. Du mußt mir nur vorher verraten, wo du das Zeug versteckt hast. Wir machen halbe halbe. Was ist?« Er hat nicht lange gezögert. Aber dann... In der Kammer, wo Sie die drei Säcke gefunden haben, da habe ich ihn gleich erstochen. Ich hatte keine Lust, das Geld zu teilen und außerdem wußte er zu viel! Bei dem Zweiten und auch bei dem Dritten ging alles genauso glatt. Ich hab’ mir nie Sorgen gemacht! Ich wußte genau, niemand entdeckt jemals den Tunnel — dazu hätte man den rechten Flügel des Gefängnisses mit Dynamit sprengen müssen! Nun, das hat das Erdbeben geschafft — leider.
    Wissen Sie, was das Schlimmste an der ganzen Geschichte ist? Alle drei haben mich angelogen, reingelegt! Ja! Sie wollten die Beute nicht teilen, nicht einmal mit einem Mann, der ihnen das Leben retten wollte! Ich habe alles für nichts und wieder nichts und wieder nichts getan! Für nichts! Solchen Gaunern kann man eben nicht vertrauen...
     
    Miguel Sardo wurde zum Tode verurteilt. Sein Gnadengesuch wurde abgelehnt. Er verbrachte die letzte Nacht vor seiner Hinrichtung in dem neuen, nicht von ihm erbauten Gefängnis von Calabares.
     

Der Schutzengel
     
    Dienstag, 15. Juni 1982 — 7 Uhr 15.
    Wir sind in Paris, 7 rue de Berri. Eine sehr gute Adresse, direkt neben den Champs-Elysees. Ein operettenhaft ausstaffierter Portier wartet vor dem Hotel Lancaster auf das vorbestellte Taxi. So früh am Morgen ist noch wenig los auf den kleinen, engen Straßen rings um den »Arc de Triomphe« — ja, man kann sich sogar den Luxus leisten, genau dort zu parken, wo es einem beliebt! Eine Stunde später wäre es ein Ding der Unmöglichkeit, hier auch nur einige Sekunden lang anhalten zu wollen, ohne ein empörtes Hupkonzert auszulösen.
    Als der schwarze Citroën gemütlich anrollt, winkt der Hotelportier und geht zu dem Taxi:
    »Der Fahrgast kommt sofort. Er telefoniert nur gerade noch mit dem Ausland, es dauert bestimmt nicht mehr lange.«
    »Und wo will er hin?«
    »Zum Flughafen Orly.«
    »Wann muß er dort sein?«
    »Seine Maschine startet erst um 9 Uhr 30, sagte er... Sie haben also viel Zeit!«
     
    Na, dann ist es ja gut! Endlich ein vernünftiger Kunde; anscheinend kennt er sich in

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