Der 18 Schluessel
lehnten sich an das Brückengeländer und Eliana atmete durch. Danyal schüttelte den Kopf. „So viel Ärger. Ich hätte niemals unter die Menschen zurückkehren dürfen.“
Eliana wollte nicht, dass er so redete. „Zumindest weißt du jetzt, dass das Buch Raziel nicht verloren ist. Auch wenn ich nicht weiß, wo oder wie wir danach suchen sollen. Pater Pascal ist tot, seine Söhne und dieses Mädchen, Felice, das zum Orden gehörte auch. Du kannst aber sicher sein, dass das Buch sich in den Händen des Ordens befindet.“
Er nickte und sah sie dann an. Wieder fiel Eliana auf, dass seine Augen den violetten Schimmer fast gänzlich verloren hatten und sehr menschlich aussahen. Ein leichtes Unwohlsein überkam sie bei seinem Anblick, so als spürte sie, dass es gefährlich für sie war, ihm zu lange in die Augen zu sehen. Dann fiel ihr Blick auf seine weiße Krankenhauskleidung und die nackten Füße. „Wir sollten gehen. Kein Mensch läuft bei diesen Temperaturen so herum.“
Danyal betrachtete seine schon bedrohlich geröteten Füße, als würde ihm erst jetzt klar, dass er seit seinem Sturz ebenso fror wie ein Mensch. Dann fuhr sein Blick versonnen über die Engelsfiguren. „Hier hat alles angefangen.“
Eliana entging nicht Danyals Faszination für die Brücke. „Wie meinst du das?“
Danyal lächelte entschuldigend, so als fiele ihm erst jetzt ein, dass sie es nicht wissen konnte. „Mein Fall ... genau hier ist es passiert.“
Eliana hakte nach, um sicherzugehen, dass sie ihn richtig verstanden hatte. „Du bist von der Engelsbrücke in Rom nach Köln in den Dom ... gefallen?“
„Ja!“
„Aber ... wie ist das möglich?“ Eigentlich eine überflüssige Frage. Wenn es schon Engel gab, die gestürzt werden konnten ... warum sich dann noch über die Art ihres Falles wundern?
„Die Schlüssel ...“, antwortete Danyal jedoch. „Je nachdem, wie man sie vibriert, tragen sie den, der sie beherrscht an verschiedene Orte ... wie Wellen, auf denen man reisen kann.“
Eliana dachte an ihre erste Begegnung mit Helel und das blau flimmernde Licht. Wie eine Frequenz war es ihr damals vorgekommen. Langsam begann sie zu begreifen. „Vibrieren ... du meinst ... Schall? Die Schlüssel funktionieren durch Schall?“
Er nickte. „Ich glaube, so würdet ihr es nennen ... das alles und vieles andere Wissen unseres Schöpfers steht im Buch Raziel.“
Eliana spürte, wie ihr abwechselnd heiß und kalt wurde. Das war es also tatsächlich, was das Buch enthielt. Wissenschaft! Und zwar nicht mittelalterliches oder vergessenes Kräuterwissen, sondern echtes Wissen über Technologien, die bis heute von den Menschen noch nicht gänzlich erschlossen worden waren! Nach allem, was Eliana bisher gesehen hatte, konnte sie die Cherubim auf einmal verstehen – was würden die Menschen mit diesen neuen Technologien anfangen, wenn sie Zugang dazu bekämen. Waren sie tatsächlich bereit für ein solches Wissen? Wenn nun bekannt würde, dass die Schöpfung ein wissenschaftlicher Vorgang gewesen war – welch einen Umbruch würde dies für die Welt bedeuten? Einen Vorgeschmack darauf, wenn sich die Kirche der Wissenschaft bediente, hatte sie durch Ordine Apocalisse bereits erhalten.
„Ich muss das Buch Raziel finden und zu Gabriel bringen – jetzt, wo ich weiß, dass es noch existiert“, riss Danyal sie aus ihren Überlegungen.
„Ich helfe dir“, antwortete sie, doch Danyal schüttelte den Kopf. „Nein, Eliana, dies ist meine Bürde, und ich habe sie viel zu lange verleugnet ... du hast schon so viel für mich getan und dafür so viel verloren. Noch einmal werde ich nicht den gleichen Fehler machen wie das letzte Mal, als ich auf dieser Brücke stand ...
1. Dezember vor zwei Wochen, die Engelsbrücke in Rom ...
Danyal ...
Er stand auf der Brücke mitten unter Seinesgleichen und fühlte sich doch unendlich allein. Unter ihm huschten die Lichter der Autos auf der Straße vorbei – sie erinnerten Danyal an Monster mit glühenden Augen - ansonsten war es still um ihn herum. Nur wenige Menschen kreuzten seinen Weg ... sie sahen seltsam aus, trugen fremdartige Kleidung und sprachen eine Sprache, die er in dieser Nacht das erste Mal hörte. Trotzdem verstand er jedes einzelne Wort, wenn er es nur wollte. Doch Danyal hörte kaum hin ... was sie einander zu sagen hatten, war belanglos.
Die Cherubim hatten einst ihn auserwählt, das Buch Raziel zu schützen ... vielleicht, weil er den Menschen so ähnlich war in
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