Der 7. Lehrling (German Edition)
Dann war sie nach einem kurzen Gespräch und einem herzlichen „Lebewohl“ wieder losmarschiert. Der Torfstecher hatte sein Werkzeug geschultert und war mit seinem Maultier ins Moor aufgebrochen.
Meara kam heute gut voran. Es war ihr am Vormittag kein Hindernis mehr in die Quere gekommen, und sie hoffte, dass das auch so bleiben würde. Sie beeilte sich, weil sie bis zum Abend die eine oder andere Meile wieder aufholen wollte.
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Quentin saß vor der Mühle. Nach einem arbeitsreichen Vormittag hatte Finja das Mittagessen aufgetragen. Jetzt war Pause.
Am Nachmittag sollte ein Kunde kommen, daher hatten sie in den letzten Stunden ohne Pause durcharbeiten müssen. Die drei Säcke Mehl standen sauber nebeneinander aufgereiht an der Tür.
Lauter werdendes Pferdegetrappel weckte Quentin aus seinem leichten Schlummer. Er blinzelte in die Richtung, aus der sich die Geräusche näherten, und sah einen Einspänner die Straße heraufkommen. Auf dem Kutschbock saß ein untersetzter Mann mit weißer Kleidung. Das musste der Kunde sein, ein Bäcker aus der Stadt. Quentin stand auf, um den Meister zu holen.
Ein paar Minuten später war das Fuhrwerk da. Der Bäcker sprang erstaunlich behände von seinem hohen Sitz herunter und wurde von Falk freundlich begrüßt. Auch Finja war aus dem Haus gekommen. Der Bäcker machte eine kleine Verbeugung vor ihr, woraufhin Finja lachend errötete und sich dann Quentin zuwandte: „Quentin, Du kannst das Gespann rückwärts in die Mühle dirigieren und dann das Mehl aufladen! Und Ihr, Meister Charmeur“, wandte sie sich an den Bäcker, „kommt herein und trinkt eine Kleinigkeit mit uns!“
Quentin ging zu dem Zugpferd und streichelte ihm über die Nüstern. Das Pferd stupste mit seinem Kopf an Quentins Brust und ließ sich willig streicheln. Seltsam, Tiere hatten immer sofort Vertrauen zu ihm. Aber besser so als andersherum, dachte sich Quentin und schickte sich an, das Gespann zur Tür zu bugsieren.
Als die Mitte des Wagens unter dem Ende der Laufschiene angekommen war, hielt er und kurbelte die Bremse fest. Dann hängte er dem Pferd einen Hafersack über den Kopf, damit es fressen konnte, während er den Wagen belud.
Es war eine echte Knochenarbeit. Wer schon dachte, dass ein Sack Getreide schwer war, der sollte sich mal an einem Sack Mehl versuchen! Quentin schwitzte und ächzte. Nach einer Weile war es geschafft, und Quentin genehmigte sich einen großen Schluck Wasser.
Er nahm dem Pferd den Hafersack ab und führte das Gespann in den Schatten. Dann ging er ins Haus, um Bescheid zu geben, dass die Arbeit erledigt sei.
Gemeinsam kamen alle wieder heraus. Der Bäcker verabschiedete sich von den Müllersleuten und bestieg seinen Kutschbock. Er winkte Quentin zu sich und drückte ihm ein paar Münzen in die Hand. „Kleines Trinkgeld für die Schufterei. Aber nicht gleich in die Schänke bringen“, grinste er ihm breit zu. Quentin bedankte sich artig und trat von dem Wagen zurück.
Plötzlich ertönte wütendes Hundegebell aus einer Seitengasse. Um die Ecke kamen zwei Hunde geschossen, einer davon mit eingezogenem Schwanz offensichtlich auf der Flucht, der andere mit hochgezogenen Lefzen laut kläffend hinterher. Sie achteten bei ihrer Jagd auf nichts und niemanden und rasten mit Höchstgeschwindigkeit dicht am Pferdegespann vorbei. Das war dem gemütlichen Zugpferd dann doch zu viel! Es stieg auf die Hinterhand und wieherte verängstigt.
Finja hatte vorn am Zaumzeug gestanden und das Pferd gehalten, während der Bäcker aufgestiegen war. Jetzt hatte das Pferd sie umgeworfen. Finja lag auf dem Rücken halb unter dem Tier, das vor Angst und Schrecken wild um sich schlug, und hielt sich die Arme schützend vors Gesicht.
Der Bäcker hielt die Zügel so fest, wie er nur konnte. Zum Glück war die Bremse noch angezogen, sonst wäre das Pferd mitsamt Wagen und Ladung durchgegangen und hätte Finja am Ende noch überrollt.
Quentin sprang herbei. Er griff der völlig verängstigten Finja unter die Achseln und zog sie aus der Gefahrenzone. Dann lief er zum Pferd zurück und sprach beruhigend auf das Tier ein. Seine Stimme brachte das Pferd langsam wieder zur Vernunft. Zitternd rieb das Tier schließlich seinen Kopf an Quentins Schulter.
Falk war zu Finja gerannt, nachdem Quentin sie unter dem Pferd weggezogen hatte, und neben ihr niedergekniet. Von dort aus hatte er der Situation ungläubig zugeschaut. „Wie hast Du das gemacht, Quentin?“, fragte er den Jungen.
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