Der 7. Lehrling (German Edition)
dass es in Bezug auf Hexen mit dem
Zweiten Gesicht
eben doch eine Rolle spielt.“ Linnea wandte sich wieder ihrer Teetasse zu und schwieg.
Amina hatte die letzten Sätze atemlos in sich aufgesogen. Sie räusperte sich.
„Linnea“, sagte sie leise, und als die alte Frau sie ansah, fuhr sie fort: „Unsere Mutter ist eine Hexe. Sie ist ein gleicher Zwilling. Und ihre Mutter war auch eine Hexe. Und auch sie war ein gleicher Zwilling ...“
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Unter einem kräftigen Hammerschlag zerfiel die Form in ihre beiden Teile. Mit zitternden Fingern räumte Milan vorsichtig kleine Trümmer und Gipsstaub auseinander, bis er das kleine, schwach glänzende Silberherz in seinen Händen hielt.
Er wusch es ab und hielt es ins Licht. Kein Lufteinschluss unterbrach die glatte, reine Oberfläche. Es war wunderschön geworden.
Milan setzte sich ans Fenster, nahm eine Schlüsselfeile und fing an, vorsichtig die Grate, also die kleinen, noch überstehenden Ecken, abzufeilen. Dann ging er wieder zum Arbeitstisch und brachte eine kleine silberne Öse am tiefsten Punkt zwischen den beiden oberen Rundungen an. Anschließend ging er wieder zurück ans Fenster. Mit einem seidenweich gegerbten Leder polierte er das Herz, bis es keine einzige Unebenheit mehr hatte und im Licht der sinkenden Sonne blitzte und blinkte.
Schließlich zog er ein weiches schwarzes Lederband durch die Öse und betrachtete zufrieden sein Werk. Was Amina wohl dazu sagen würde?
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Der Steinmetz vermaß ein letztes Mal die Tiefe der neuen Löcher, beseitigte hier und da eine kleine Unebenheit, dann erhob er sich zufrieden und klopfte das Steinmehl von seiner Lederschürze. „Fertig.“
Falk prüfte die Löcher selbst noch einmal nach und schüttelte dann dem Steinmetz die Hand. „Saubere Arbeit. Jetzt muss es nur noch so gut klappen, wie Quentin sagt. Fürs Erste jedoch lasst uns ein Glas auf Eure Arbeit trinken.“ Mit diesen Worten gingen sie hinüber zum Wohnhaus.
Quentin blieb allein in der Mühle zurück und räumte auf. Er zweifelte selbst ein wenig daran, ob sein Vorschlag auch wirklich funktionieren würde. Aber zu ändern war jetzt auch nichts mehr. Morgen würde der Zimmermann die neuen Zapfen in das Antriebsrad einfügen, und dann kam die Stunde der Wahrheit. Quentin überprüfte noch einmal mit einem Blick in die Runde, ob alles ordentlich war, dann ging er sich waschen und ebenfalls ins Haus.
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Milan traf Amina im Speisesaal beim Abendessen. Er setzte sich zu ihr und ließ sich von den heutigen Fortschritten berichten. Nach dem Essen räumten sie ihr Geschirr ab und gingen wieder zu ihrem Lieblingsplatz, der Bank am See. „Und was hast Du den ganzen Tag gemacht?“, wollte Amina wissen.
Milan stand auf. „Ach, so dies und das, Du weißt ja, in einer Schmiede gibt es immer etwas zu tun.“ Er trat weiter redend hinter Amina, holte heimlich den Anhänger aus der Tasche und sagte: „Ach ja. Heute mussten die Schmiedelehrlinge in der Metzgerei aushelfen. Da fehlt scheinbar die Chefin, die hat wohl gerade etwas anderes zu tun.“
Milan schaffte es gerade noch, den Anhänger wieder in der Tasche verschwinden zu lassen, als Amina sich umdrehte. „Es war nicht meine Idee, dass ich ...“
„Schschsch! Ich hab's ja nicht so gemeint. Verrenk Dir nicht vor Wut den Hals“, lachte er und drehte sanft ihren Kopf wieder nach vorn. Dann nahm er den Anhänger wieder aus der Tasche. „Ich machte also dies und das, als ich darüber nachdenken musste, dass mir irgendjemand ganz heimlich mein Herz gestohlen hat.“
Amina wollte sich umdrehen, aber Milan drehte ihren Kopf wieder sanft nach vorn. „Da fing ich natürlich an, es zu suchen. Und was glaubst Du: Ich habe es wiedergefunden. Es lag unter einem Haufen Gips auf der Arbeitsplatte. Naja, und da dachte ich, ich kann es ja der Diebin schenken, dann muss sie es nicht noch einmal stehlen.“ Bei diesen Worten ließ Milan das glänzende Herz langsam vor ihren Augen herunter auf den Ausschnitt ihres Kleides sinken. Dann legte er ihre langen Haare über eine Schulter nach vorn und verknotete das Lederband in ihrem Nacken.
Amina war zuerst wie erstarrt, als sie das silbrig schimmernde Herz vor ihren Augen herabschweben sah. Ein Schauer nach dem anderen jagten ihr über die Haut, die feinen Härchen auf ihren Armen waren wie vor einem Gewitter aufgestellt. Als Milan dann sanft ihre Haare auf eine Seite herüberlegte, konnte sie sich kaum noch auf der Bank halten. Sobald sie merkte, dass
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