Der 7. Lehrling (German Edition)
Milan den Knoten geschlossen hatte, sprang sie mit einem Satz auf die Sitzfläche hoch, fiel ihm um den Hals und bedeckte sein Gesicht mit unzähligen Küssen.
#
Am nächsten Morgen kam der Zimmermann mit seinem Werkzeug in die Mühle. Zuerst zeichnete er Markierungen für die neuen Zapfen auf das Antriebsrad, dann bohrte er die Löcher. Die Zapfen hatte er am gestrigen Tag schon fertiggestellt und passte sie in die frischen Löcher ein. Dann wurde das Antriebsrad wieder auf den Mühlstein gehoben. Den hatten Falk, Medard und Quentin bereits nach dem Frühstück wieder an seinen alten Platz gehievt.
Medard zog das senkrechte Zahnrad an seiner Achse in die Höhe, und Falk nahm den Stützbalken weg. Langsam senkte sich der Zahnkranz des senkrechten in den des waagerechten Rades. Alles passte.
Dann kam der entscheidende Moment. Alle bis auf Medard standen am Mühlstein und warteten gespannt. Falk nickte Medard kaum merklich zu. Dieser nickte zurück und drückte den Haltehebel für das Schaufelrad nach unten.
Die Antriebswelle bebte. Ein Knistern und Knacken zog durch Welle, Lager und Räder, als sich das hölzerne Triebwerk gegen das Gewicht des schweren Mühlsteins stemmte. Das Knistern und Knacken verstärkte sich, bis ein Zittern die ganze Konstruktion erschauern ließ. Dann lief mit einem Ruck der Mühlstein an.
„Ja!! Es läuft!!“, entfuhr es dem sonst so wortkargen Medard. Die anderen jubelten fast gleichzeitig los. Finja schloss Quentin in die Arme und drückte ihn an sich. „Ich bin stolz auf Dich“, sagte sie leise.
„In Ordnung“, rief Falk. „Medard, einen Kornsack auf die Bühne! Wir machen einen Probelauf. Wenn wir den Sack ohne Probleme durchhaben, gebe ich allen für den Rest des Tages frei!“
Natürlich funktionierte es. Etwa eine Stunde später war das letzte Korn zu Mehl geworden, und Medard arretierte das Schaufelrad. Er grüßte kurz zum Meister hinüber und verschwand in die Stadt.
Falk kam zu Quentin und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. „Siehst Du, jetzt sind wir quitt. Du kannst Deinem Vater von meinem Flaschenzug erzählen, und ich habe seine acht Zapfen übernommen. Komm, lass uns den freien Tag genießen!“
#
Amina brachte Linnea ein paar gepflückte Blumen mit. Ohne zu fragen nahm sie ein leeres Behältnis – sie wollte lieber gar nicht wissen, was für Heilsalben-Zutaten dort einmal drin gewesen waren –, wusch es aus und stellte die Blumen auf den Tisch am Fenster.
Linnea hatte alles von ihrem Sessel aus verfolgt. Ihr war schon von Anfang an der einzigartige beschwingte Gang aufgefallen, den nur frisch verliebte Mädchen zu haben scheinen. Und nun baumelte von einem Tag auf den nächsten ein wunderschöner silberner Anhänger um ihren Hals. „Hat er Dir gestern sein Herz geschenkt?“, fragte sie scheinbar unbeteiligt.
Amina lief innerhalb einer Sekunde rot an. „Er? Aber woher ... Ich hab doch gar nichts ...“, stammelte sie verlegen und nestelte weiter mit den Blumen herum.
„Nun reiß den schönen Blumen nicht gleich den Kopf ab. Glaubst Du wirklich, eine alte Frau könnte es nicht sehen, wenn ein junges Mädchen verliebt ist?“, unkte Linnea. „Wer ist es denn?“, wollte sie wissen.
Amina setzte sich auf ihren Stuhl. Natürlich stand der Tee bereits wieder auf dem Tisch. Sie nahm sich eine Tasse, und dann erzählte sie in den blühendsten Farben von ihrem Milan.
Lächelnd hörte Linnea zu. Amina war ein so unschuldiges, feines Mädchen. Wenn sie gewusst hätte, welche Kräfte in ihr schlummerten...
Dann begann der Unterricht. Heute war das Thema Kräftebeherrschung. Linnea erklärte: „Du warst nach Deinem ersten Kontakt sehr erschöpft. Das ist nicht ungewöhnlich, wenn man etwas tut, was man noch niemals vorher gemacht hat, und deshalb seine Kraft falsch einteilt. Aber Du kannst es vermeiden, wenn Du die richtigen Mittel und Methoden kennst.
Zuerst darfst Du nur so viel Kraft einsetzen, wie Du unbedingt brauchst. Das werden wir in Übungsstunden trainieren. Dann gibt es einige Kräuter, die Dir entweder über längere Zeit ein wenig mehr, andere, die Dir über kurze Zeit sehr viel Kraft verleihen. Die Letzten nimmt man für gewöhnlich dann, wenn man einen mächtigen Zauber aufrufen will. Ich werde Dir all diese Kräuter, ihre Zubereitung und Anwendung zeigen.
Anfangen werden wir allerdings mit etwas anderem. Wichtig ist, dass Du lernst, Deine Kraft im richtigen Maß anzuwenden. Und dafür ist am besten etwas
Weitere Kostenlose Bücher