Der 7. Lehrling (German Edition)
Laune so weit gebessert, dass er Finja sogar von seinem heldenhaften Sieg über den Obsthändler erzählte.
Beim Abendessen hatte er seine trüben Gedanken vom Nachmittag bereits wieder vergessen.
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Alle Nachzügler waren eingetroffen, und Korbinian hatte sie wissen lassen, dass am heutigen Abend ein gemeinsames Abschiedsessen stattfinden sollte. Für morgen früh war der Aufbruch vorgesehen. Das war für Milan das Signal zum Packen. Er war hin- und hergerissen. Einerseits freute er sich auf die Herausforderung, andererseits wollte er um alles in der Welt bei seiner Amina bleiben.
Es klopfte leise an seiner Tür. Mit Tränen in den Augen stand Amina auf der Türschwelle. „Schon morgen?“
Milan nickte mit einem großen Kloß im Hals. Dann schloss er Amina in seine starken Arme.
Gemeinsam packten sie seine wenigen Habseligkeiten und gingen dann Hand in Hand hinunter in den Speisesaal.
Als alle sich gesetzt hatten, stand Korbinian auf. „Nochmals: Willkommen! Ich weiß, dass es nicht in eurer Macht lag, früher hier zu sein. Ihr habt euch alle redlich angestrengt. Daher seid versichert, dass niemand ein schlechtes Wort über eure späte Ankunft spricht.
Ihr werdet morgen früh aufbrechen. Die anderen haben zwar vier Tage Vorsprung, die Ausgangspositionen sind aber noch nicht von allen eingenommen. Ihr werdet allesamt auf Pferden reisen, damit ihr einerseits etwas von Eurem Rückstand aufholen könnt und andererseits denen, die erst heute angekommen sind, noch ein wenig Zeit zum Ausruhen bleibt. Wenn ihr erst einmal an euren Positionen angekommen seid, werden eure Wege natürlich länger sein. Schließlich seid ihr nicht allein auf eure Füße angewiesen wie die anderen.
Schont die Pferde. Es kann Wochen dauern, bis der siebte Lehrling gefunden ist, und auch Pferde müssen ihre Kraft einteilen.
Dass der Lehrling gefunden ist, werdet ihr daran erkennen, dass plötzlich einer der roten Punkte auf Euren Karten von seiner Route abweicht und auf direktem Weg nach Filitosa ist. Beobachtet also stets die Karte. Schneidet dem Finder den Weg ab. Übergebt ihm euer Pferd und euren gesamten Proviant. Nichts ist wichtiger, als dass er oder sie so schnell wie möglich das Dorf erreicht. Das ist euer Auftrag. Ich wünsche euch viel Erfolg!
Und nun: uns allen einen entspannten Abend.“
Korbinian setzte sich und lud ein ordentliches Stück Braten auf seinen Teller. Auch für ihn blieb jetzt nichts mehr zu tun, außer zu warten. Samuel, der neben ihm saß, ahnte, was in seinem Freund vorging. Er tippte Korbinian auf den Arm und blickte ihm mit einem verschmitzten Augenaufschlag ins Gesicht: „Kannst Du eigentlich Schach spielen, alter Gefährte?“
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Es war kurz vor Morgengrauen. Über Nacht hatte der Wind auf Nordost gedreht und brachte dunkle Wolken. Es hatte sich stark abgekühlt und würde sicher bald zu regnen anfangen.
Milan hatte den Regenumhang griffbereit hinter den Sattel geschnallt. Dann drehte er sich zu Amina um. Dicke Tränen kullerten ihr über die Wangen. Behutsam strich er sie aus Aminas Gesicht und küsste sie zum Abschied. „Ich bin bald wieder da“, versprach er.
Amina nickte. Dann sagte sie: „Pass auf Dich auf und komm heil zurück!“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, küsste Milan noch einmal innig und rannte dann, das silberne Herz fest umklammert, weinend in die schützende Dunkelheit des Haupthauses.
Milan starrte ihr nach. Ein seltsames Ziehen breitete sich in seiner Magengegend aus.
„Kommst Du, Milan?“ Seine Reisegefährten waren bereits aufgesessen und rissen ihn aus seinen Gedanken in die Wirklichkeit zurück. Milan schwang sich wortlos in den Sattel. Er drückte dem Rappen, der ihn schon vor ein paar Tagen ins Dorf getragen hatte, die Fersen in die Flanken. Dann sprengten sie zu viert Richtung Norden aus dem Dorf. Sie würden die
12-Uhr-Speiche
vervollständigen.
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Amina hatte alles andere als Lust auf den Unterricht. Mit verweinten Augen war sie bei Linnea angekommen. Linnea wusste, was in ihr vorging, denn sie hatte natürlich von Milans Abreise erfahren. Sie nahm Amina in die Arme und strich ihr sanft über die Haare.
„Komm, mein Kind, lass uns erst einmal einen Tee trinken“, sagte sie nach ein paar Minuten und führte Amina zum Tisch. Aus ihrer unendlichen Auswahl an Teesorten hatte sie bereits eine beruhigende, kräftigende Sorte ausgesucht. Schweigend tranken sie aus ihren großen, bauchigen Tassen.
Dann begann der Unterricht. Amina
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